Das Geheimnis der Heiligen Stadt
nicht. Ohne jemanden beleidigen zu wollen«, fügte er an Akira gewandt hinzu.
Akira benutzte Geoffrey als Stütze, zog sich hoch und wuchtete sich unsicheren Schrittes zu seinem Hocker am Fenster.
»Warum hat Maria dir das angetan?«, fragte Geoffrey.
»Oh, sie hasst den alten Akira«, winselte der Schlachter. »Letzte Nacht hing ich hier wie eine gefesselte Ziege, und sie lässt mich wissen, dass sie mir die Schuld an den gemeinen Morden zuschieben will. Wollt mir was heimzahlen.« Er vergoss Krokodilstränen, und Geoffrey spürte, dass der Zermürbungskrieg zwischen dem raffinierten alten Schlachter und seiner durchtriebenen Tochter schon seit Jahren andauerte und dass keine Liebe mehr zwischen ihnen übrig war. Akiras unechte Tränen sollten vermutlich das Mitleid der Ritter wecken und dafür sorgen, dass sie ihm etwas Geld zusteckten.
Akira fuhr mit seiner traurigen Geschichte fort: »Aber diese Priester waren freundlich. Haben den alten Akira nicht festgenommen, als ich Bruder Pius in meinem Laden fand. Und dann, gestern, erzählt mir Maria, sie will mit dem Liebhaber Adam weg von der Stadt.«
Geoffrey fragte sich, ob Adam Maria dazu gebracht hatte, Familie und Freunde zu verraten, oder umgekehrt. Maria hatte den eigenen Vater umbringen und ihm und Melisende die Morde anhängen wollen. Adam andererseits war ein Grieche, der seine eigene Gemeinde unter Melisendes Führung ausspionierte. Was für ein Paar.
»Einmal bringt sie mir Kuchen«, erzählte Akira voll Selbstmitleid. »Aber als ich dem alten Joseph einen davon gebâ, kippt der um und ist tot. Sie hat also schon vorher versucht, mich umzubringen!«
»Der alte Joseph?«, wollte Geoffrey wissen. Er hoffte, dass das kein weiterer Geistlicher oder Ritter war.
»Mein Kater!«, klagte Akira, und Tränen liefen ihm die Wangen hinab. »Ich hab mich so um Maria bemüht. Aber nach allem, was ich für sie mache, findet sie mich immer noch abstoÃend!«
Tatsächlich? , dachte Geoffrey und blickte unwillkürlich auf den heruntergekommenen Raum und seinen schäbigen Bewohner. Warum wohl?
Aber wenn Maria ihrem Vater vergiftete Kuchen geschickt hatte, so hatte sie wahrscheinlich bei Dunstan dasselbe getan. Anscheinend trug Melisende also tatsächlich keine Schuld an diesem Teil des Verbrechens. Mit bestürzender Klarheit erkannte Geoffrey plötzlich, wie Maria es zu Wege gebracht hatte. Marius hatte an jedem Donnerstag Huren in das Skriptorium eingeschmuggelt, und die Alain am meisten mochte, hieà Maria. Das war wahrscheinlich dieselbe Maria, und sie hatte bei dieser Gelegenheit die Kuchen für Dunstan zurückgelassen. Und der gute alte Vater Almaric hatte nicht nur Maria die Schriftrolle überreicht, die der Vogt an Bruder Salvatori geschickt hatte â er war auch derselbe Vertraute des Patriarchen, der Maria an Melisende empfohlen hatte!
»Passt das für dich alles zusammen, Geoff?«, fragte Roger und rieb sich müde den Kopf. »Ich bin nämlich nur noch verwirrt!«
»Das überrascht mich nicht im Mindesten«, antwortete leise jemand vom Eingang her. Die Stimme klang nur allzu vertraut! Geoffrey fuhr herum und hatte das Schwert schon in der Hand, aber Hugo hatte zwei Bogenschützen dabei, die schussbereit neben ihm standen. Geoffrey erstarrte. Hugo bemerkte sein Zögern und nickte. »Du tust gut daran, vorsichtig zu sein, Geoffrey. Ich bin schon viel zu weit gekommen, um mich jetzt noch aufhalten zu lassen. Wenn du auch nur die geringsten Anstalten machst, näher zu kommen, so haben diese Männer den Befehl, dich zu töten.«
Geoffrey war erschüttert. Er hatte sich mit der Erkenntnis von Hugos Verrat noch gar nicht abfinden wollen. Aber jetzt stand Hugo vor ihm und drohte, ihn so beiläufig zu töten wie das Beduinenkind in der Wüste.
»Hugo â¦Â«, setzte er an und tat einen Schritt nach vorne. Sofort richteten die Schützen ihre Bögen auf ihn, und Geoffrey sah, wie sie die Sehne ein wenig spannten. Er hielt an.
»Lasst Eure Waffen fallen«, befahl Hugo. Geoffrey zögerte, aber er sah Hugos entschlossenen Gesichtsausdruck. Er lieà das Schwert fallen und hörte dann auch Rogers Klinge hinter ihm auf den Boden fallen. »Und jetzt die Dolche. Alle beide«, sagte Hugo an Roger gewandt. »Und tretet an die Wand dort zurück.«
Geoffrey und Roger wichen zurück, bis sie beide
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