Das Geheimnis der Heiligen Stadt
entschlossen am Arm und schob ihn durch die Tür. Mit übertriebenem Schauder blickte er sich um. »Und selbst wenn es heiÃt, dass dies nun, nach der Vertreibung der Sarazenen, eine Kirche ist, so sieht es für mich immer noch wie ein heidnischer Tempel aus.«
Unter der Kuppel war es kühl, und der Raum breitete sich aus wie eine gewaltige Höhle. Irgendwo sang ein Mönch. Seine Stimme hallte würdevoll durch den Säulenhain. Geoffrey blieb erneut stehen und sah sich bewundernd um.
»Aber die Kirche der Heiligen Weisheit hat eine ganz ähnliche Kuppel«, stellte er fest. Er löste seinen Arm aus Rogers Griff und trat vor, um eine der schlanken weiÃen Marmorsäulen, die die zierlichen Gewölbebögen stützten, näher in Augenschein zu nehmen. »Und doch verwenden wir in England oder in der Normandie keine solche Bauweise.«
»Meinst du damit etwa diese groÃe grellbunte Kirche, durch die du uns in Konstantinopel geschleift hast?«, fragte Roger, der sich sichtlich unbegeistert an diesen Ausflug zurückerinnerte. »Stell dir doch nur einmal vor, wie lächerlich solch eine Kuppel bei uns zu Hause wirken würde.«
Helbye und Fletcher nickten beifällig, und Geoffrey wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte. Er folgte ihnen durch den Vorbau und in die inneren Räume, wo ein bloÃes Stück Fels den Juden als der Ort galt, an dem Abraham beinahe Isaak geopfert hätte und von wo aus nach dem Glauben der Sarazenen Mohammed zum Himmel aufgefahren war. Geoffrey starrte ihn an â einen gewöhnlichen Felsbrocken, der sich nicht von anderen in der Stadt unterschied â und fragte sich, ob die Geschichten darüber der Wahrheit entsprachen. Er war so versunken in seine Gedanken, dass erst ein kräftiger Stoà von Roger ihn zurück in die Wirklichkeit holte.
»Das ist der Mann, der diesen Bruder Jocelyne gefunden hat«, sagte Roger, ganz offensichtlich schon zum zweiten Mal. »Vor drei Wochen.«
Geoffrey erblickte einen kleinen Mann in der Tracht der Benediktiner. Er hatte die weiÃeste Haut, die Geoffrey je gesehen hatte, und er fragte sich, ob der Mönch überhaupt mal nach drauÃen ging.
»Erzählt mir, was geschehen ist.«
Der Mann blickte sich ängstlich um und schaute dann Geoffrey mit einem einschmeichelnden Lächeln an, das nicht bis in die Augen gelangte. »Da gibt es wirklich nicht viel zu erzählen. Es war kurz vor Sonnenaufgang, und ich entzündete gerade die Kerzen für das Morgengebet. Da erblickte ich einen Mann zu FüÃen einer Säule. Er lehnte sich dagegen und streckte die Beine von sich. Das kam mir, offen gesagt, recht zügellos vor, also bin ich hingegangen, um ihn wegzuschicken. Als ich näher kam, erkannte ich Bruder Jocelyne und sah ein Messer aus seinem Rücken ragen. Ich zog es heraus, um zu sehen, ob noch ein Funke Leben in dem Mann war, aber er war tot. Ich lief dann los, um den Prior zu holen, aber als ich zurückkehrte, hatte schon jemand das Messer gestohlen.«
»Was für eine Art Messer war das?«, fragte Geoffrey.
»Oh, das war ein wunderschönes Ding«, sagte der Mönch mit einem sehnsuchtsvollen Seufzer. »Ganz aus Silber und mit Juwelen besetzt. Ich hätte es mitnehmen sollen, als ich zum Prior ging. Um es den Männern des Patriarchen zu übergeben, natürlich«, fügte er rasch, aber wenig überzeugend hinzu.
»Wie gut habt Ihr Bruder Jocelyne gekannt?«
»Nicht besonders, wirklich. Er war ein sehr verschlossener Mann, der nur selten sprach. Gelegentlich übernahm er Pflichten für Herrn Bohemund, weil er eine so gute Handschrift hatte. Aber die meiste Zeit verbrachte er hier.«
Das ist aufschlussreich , dachte Geoffrey. Vielleicht war der Dienst für Bohemund die Verbindung zwischen den Mönchen und den Rittern: Auch Guido und John waren Bohemunds Männer gewesen.
»Wie lange war Bruder Jocelyne schon hier?«
Der Mönch zuckte die Achseln. »Genauso lange wie wir anderen«, sagte er. »Keiner von uns war hier, bevor Jerusalem den Streitern Gottes zufiel.«
»Ist Euch vor seinem Tod irgendetwas Ungewöhnliches an seinem Verhalten aufgefallen? Hat er sich mit jemandem getroffen, oder war er zwischendurch fort, ohne zu erklären, wohin er ging?«
Wieder zuckte der Mönch unbekümmert mit den Schultern. »Nein, wohl nicht.«
»Seid Ihr sicher? Der Vogt würde
Weitere Kostenlose Bücher