Das Geheimnis der Heiligen Stadt
sich. Die Tür auf der anderen Seite stand einen Spalt offen, und Geoffrey stieà sie neugierig auf. Dahinter kam eine kleine Kapelle zum Vorschein, die eine Vielzahl brennender Kerzen mit unruhigem Licht erfüllte. Zwei in Laken gehüllte Tote lagen nebeneinander vor einem schmucklosen Altar, und einige Mönche knieten daneben und raunten eintönige Gebete. Bei seinem Eintreten blickten sie auf, und ihre Stimmen stockten und brachen dann ab.
Geoffrey ging zu einem der Toten und hob das Laken an. Das bleiche Gesicht von John von Sourdeval sah ihm entgegen. Man hatte ihm das Haar gewaschen und frisiert und das Blut von seinem Körper gewischt. Geoffrey empfand Ãbelkeit, als er in das Gesicht des Mannes blickte, der einst sein Freund gewesen war. Einen Moment lang stand er still, schaute auf die wachsbleichen Züge, und die Erinnerungen an viele Abende voller Gespräche stiegen ungebeten in seinem Gedächtnis auf.
Er schluckte hart, und mit einer stummen Entschuldigung an John drehte er den Körper rasch auf die Seite. Mit dem Zeigefinger maà er die Wunde an Johns Rücken ab. Dann legte er ihn behutsam wieder zurecht und richtete sorgfältig das Laken. Er achtete nicht auf die halb neugierigen, halb empörten Blicke der Mönche. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem anderen Toten zu.
Der Mann, der dort lag, war klein, und selbst im Tod wiesen seine verformten GliedmaÃen ihn als Buckligen aus. Sein Gesicht war auÃerdem dunkel, und obwohl irgendwer sorgfältig den Körper gewaschen und rasiert hatte, sprossen dichte Stoppeln auf Kinn und Wangen. Geoffrey ging davon aus, dass es Lukas war. Er drehte den Leichnam um und bemerkte, dass die Wunde am Rücken noch immer ein wenig nässte. Er legte den Finger daneben und stellte fest, dass sie länger war als die bei John. Aber das hatte nichts zu bedeuten, denn er wusste, dass sich solche Wunden erweitern konnten, wenn das Opfer sich wehrte oder unglücklich stürzte.
»Was glaubt Ihr denn, was Ihr da tut?«, fuhr ihn eine scharfe Stimme in verletztem Tonfall an. »Diese Männer wurden vorbereitet, ihrem Schöpfer gegenüberzutreten. Sie starben ohne Absolution, und daher müssen wir tun, was wir können, damit ihre Seelen Ihn auch erreichen. Euer Stochern und StoÃen wird ihnen nicht helfen.«
Geoffrey lächelte entschuldigend den unfreundlichen Mönch an, der ihm aufgetragen hatte, im Korridor zu warten. Dann folgte er ihm aus der Kapelle hinaus und in das gegenüberliegende Zimmer. Dort saà Roger bereits bei einem Kelch Wein, und Helbye und Fletcher standen aufrecht hinter ihm.
»Dies ist Vater Almaric. Er steht hier der benediktinischen Gemeinschaft vor«, verkündete Roger und stellte Geoffrey den weiÃhaarigen Mönch vor, der sich nun mit einem gütigen Lächeln zur BegrüÃung erhob. »Und der andere ist Bruder Celeste, sein Sekretarius«, fügte er hinzu und warf dem ruppigen Mönch, der Geoffrey aus der Kapelle hereinbegleitet hatte, einen unfreundlichen Blick zu.
Vater Almaric bot Geoffrey etwas Wein an, dann setzte er sich wieder mit augenscheinlicher Erleichterung. »Ihr müsst mir vergeben«, bat er. »Aber ich habe eine Schwellung in den Knöcheln, die mir sehr viel Unbehagen bereitet. Stehen ist sehr schmerzhaft für mich.« Dankbar nippte er an dem schweren Rotwein in seinem Becher.
»Die arabischen Heilkundigen behaupten, dass Rotwein solche Beschwerden verschlimmern kann«, sagte Geoffrey. »Sie empfehlen dem Kranken, WeiÃwein zu trinken, oder noch besser Bier oder Wasser. AuÃerdem sagen sie auch, dass ein Breiumschlag mit Schlamm aus dem toten Meer möglicherweise Linderung bringt.«
Almaric blickte überrascht über diese plötzliche Wendung des Gespräches.
»Beachtet ihn nicht, Vater«, warf Roger gut gelaunt ein. »Er liest die ganze Zeit und unterhält sich mit diesen Ungläubigen in der Sprache des Teufels. Da ist es kein Wunder, wenn sein Kopf mit derartigem Unsinn voll gestopft ist. Ich habe immer festgestellt, dass Rotwein Schmerzen besser lindert als weiÃer.«
»Hilft diese arabische Heilmethode?«, fragte Almaric, ohne auf Rogers Bemerkung einzugehen.
Geoffrey lächelte. »Ich habe keine Ahnung. Ich hatte nie derartige Beschwerden. Ich wiederhole nur, was ich gelesen habe.«
Almaric schaute auf den Wein in seinem Kelch und stellte ihn ab. »Ich bevorzuge
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