Das Geheimnis der Heiligen Stadt
wüssten wir sicher, dass wir diese wenigen, die Ihr erwähnt habt, auch erwischen. Das würde der ganzen Angelegenheit ein Ende setzen.«
Geoffrey hielt es für politisch unklug, ein Blutbad an hunderten von Unschuldigen anzurichten, nur um die wenigen Schuldigen dabei zu erwischen. Er sann verzweifelt auf Argumente, um den Vogt zurückzuhalten. So wenig Gottfried sie leiden konnte, so sehr brauchte er die Arbeitskraft und die Dienste der Griechen, denn ohne sie würde die Stadt einen Niedergang erleben.
»Der Mörder ist raffiniert«, wandte Geoffrey hastig ein. »Ich glaube nicht, dass wir ihn erwischen, auch wenn wir die gesamte griechische Gemeinde umbringen lassen. Er könnte sich verkleiden und entkommen. Und ich bin mir sicher, der Patriarch würde ein Massaker nicht dulden.«
»Der Patriarch ist nicht Herrscher dieser Stadt â das bin ich!«, knurrte der Statthalter. Geoffrey erkannte, dass er einen wunden Punkt berührt hatte. »Und mir ist es egal, was der Patriarch duldet oder missbilligt! Ich bin ein Kriegsherr, und er ist nur ein schwächlicher Kirchenmann, der am Rockzipfel des Papstes hängt.«
Schwächlich war der Patriarch gewiss nicht, und Geoffrey konnte sich Daimbert auch kaum an den Rockzipfeln eines Papstes vorstellen. Wenn der Vogt seine Feinde so sorglos unterschätzte, war er dem Untergang geweiht. Vielleicht richteten sich diese Morde letztlich doch gegen diesen schwachen und unschlüssigen Herrscher, überlegte Geoffrey. In diesen unsicheren Zeiten brauchte Jerusalem einen starken Anführer, und Gottfried war dieser Aufgabe sichtlich nicht gewachsen.
»Vielleicht irre ich mich auch bezüglich der Griechen«, sagte Geoffrey. »Ich wollte als Nächstes den vergifteten Kuchen nachgehen, und auÃerdem möchte ich herausfinden, wen Dunstan zu erpressen versuchte. Wir wissen nicht genug, um ein Massaker an den Griechen zu rechtfertigen.«
»Für mich reicht es«, erwiderte der Statthalter. »Aber meinetwegen. Ich kann genauso gut noch einige Tage warten, um zu sehen, ob Ihr noch mehr enthüllen könnt. Aber trödelt nicht. Ich könnte ungeduldig werden.«
Mit diesen entschlossenen Worten machte der Vogt auf den Fersen kehrt und schritt aus der Kirche hinaus. Geoffrey seufzte erleichtert. Er hoffte inbrünstig, dass er bei ihm keinen Verfolgungswahn ausgelöst hatte, der letztendlich in einen Akt der Gewalt gegen die griechische Gemeinde münden würde. Er fragte sich, ob die Verantwortung des Regierens für diesen Mann zu groà wurde und ob er womöglich den Verstand verlor. Einen Massenmord vorzuschlagen, nur auf Grund einiger weniger unbewiesener Verdächtigungen, war kaum die Tat eines vernünftigen Mannes â nicht einmal eines Kreuzfahrers.
Courrances kam hinter einer Säule hervor und ging zu Geoffrey hinüber.
»Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass die Griechen dahinter stecken, oder?«, fragte er.
Geoffrey schüttelte den Kopf. »Aber ich habe keine Ahnung, wer es ist.«
Courrances legte seine Hand schlaff auf Geoffreys Schulter, und Geoffrey hörte, wie eine Waffe unter dem Gewand des Ordenskriegers klirrte, als er sich bewegte.
»Ihr seid in einer gefährlichen Lage, mein Freund«, sagte Courrances so leise, dass Geoffrey Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Es ist schwierig, zwei Herren zu dienen, und wenn Ihr nicht herausbekommt, wer hinter diesen Todesfällen steckt, dann wird der Vogt annehmen, dass Ihr ihn verraten habt. Selbst wenn Ihr eine Verschwörung aufdecken könnt, wer weiÃ, ob er Euren Enthüllungen dann Glauben schenken wird? Das kommt ganz darauf an, auf welchen Schuldigen Ihr letztendlich zeigen werdet.«
Und Ihr wart derjenige, der mich in diese Lage gebracht hat, dachte Geoffrey. Plötzlich war er auf sich selbst wütend. Er hatte zugelassen, dass Courrances ihn ausmanövrierte. Dieser hatte gewiss von Anfang an vermutet, dass es um mehr ging als nur um eine Verschwörung der Sarazenen. Courrances hatte Recht: Wer wusste, wo Geoffreys Ermittlungen ihn hinführen würden? Und selbst wenn er herausfand, wer der Mörder war â wer vermochte schon zu sagen, ob der Vogt ihm glaubte? Und wenn es nun Warner war? Gottfried hatte Geoffrey bereits wissen lassen, dass sein Vetter unersetzlich für ihn war. Er würde Warners Schuld keinesfalls akzeptieren.
Courrances nahm seine Hand weg, aber
Weitere Kostenlose Bücher