Das Geheimnis der Heiligen Stadt
er Kuchen bei mir.«
»Wann hat er zuletzt bei Euch eingekauft?«
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher. Nicht in dieser Woche.«
»Er hatte einige Kuchen in einem Päckchen in seinem Pult.«
Sie zuckte die Achseln. »Viele unserer Kuchen sind in Honig getränkt, der sie haltbar macht. Sie können schon eine Woche alt sein oder noch mehr, und man kann sie trotzdem noch gut essen.«
»Habt Ihr die Päckchen mit den Kuchen für ihn im Voraus vorbereitet, oder habt Ihr sie eingepackt, wenn er an den Stand kam?«
»Letzteres. Er kam nicht regelmäÃig. Ich nehme an, er kam nur dann vorbei, wenn er Appetit auf Kuchen hatte â wie die meisten Leute.«
»Die Kuchen in seiner Schublade waren dreieckig und mit einem Rautenmuster aus Zucker versehen. Es waren vielleicht zehn davon in dem Paket.«
»Zehn? O nein. So viele hat er nie gekauft. Und für gewöhnlich wollte er eine Auswahl von unterschiedlichen Kuchen, nicht alle von derselben Sorte.«
Geoffrey musterte sie ernst, während er nachdachte. Log sie, oder sagte sie ihm die Wahrheit? Noch nie zuvor war es ihm so schwer gefallen, Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Melisende verwirrte ihn. Die vergifteten Kuchen stammten eindeutig aus ihrem Laden: Geoffrey erkannte sie wieder. Und Melisende hatte selbst zugegeben, dass sie Dunstan Kuchen verkauft hatte. Aber hatte sie sie auch vergiftet? Hatte Dunstan tatsächlich stets unterschiedliche Arten von Kuchen gekauft, oder wollte sie Geoffrey durcheinander bringen, indem sie die Sache noch komplizierter machte? Und hatte Melisende den Kontakt zu Dunstan vielleicht nur deshalb zugegeben, weil weiteres Leugnen sie nur noch verdächtiger hätte wirken lassen?
»Was soll ich nun anfangen?«, fragte sie und musterte ihn ebenso eindringlich wie er sie. »Ich habe nun nicht nur eine Gehilfin verloren, die ich stets für eine Freundin hielt. Mir stellen auÃerdem noch die Männer des Vogts nach, weil ich das Unglück hatte, dass mein Haus Schauplatz eines Mordes wurde. Und jetzt glaubt Ihr auch noch, dass ich von einem fetten Mönch erpresst wurde, weil ich ihm ein paar Kuchen verkauft habe.«
»Wenn Ihr wirklich Wert auf Marias Freundschaft legt, werdet Ihr noch einmal mit ihr reden und eine Vereinbarung finden, die für beide Seiten tragbar ist«, sagte Geoffrey nach kurzem Nachdenken. Er wollte nicht, dass Maria ihre Arbeit wegen einer Indiskretion verlor. Allerdings schien Maria auch sehr stolz auf ihre Talente zu sein.
Er fragte sich, wie es sein konnte, dass Melisende nichts davon gewusst hatte. Aber Abduls Palast der Freuden beschäftigte hauptsächlich arabische Mädchen, und Maria war die einzige Griechin. Vielleicht war eben das der Grund, weshalb Maria in Abduls Etablissement arbeitete. Auch wenn Jerusalem nicht allzu viele Einwohner hatte, so waren die einzelnen Gemeinden doch abgeschieden voneinander und neigten dazu, unter sich zu bleiben. Daher war es wohl möglich, dass die Griechen nicht wussten, was Maria in einem arabischen Bordell trieb.
Geoffrey ging mit Melisende zurück in Richtung des Marktes. »Könnt Ihr mir sonst noch etwas über Dunstan sagen?«
»Nichts«, erwiderte sie mit einem Achselzucken. »Vielleicht habe ich schon zu viel gesagt. Ich hätte ganz abstreiten sollen, ihn gekannt zu haben, damit Ihr weggeht und mich in Ruhe lasst.«
»Dann werde ich nun weggehen und Euch in Ruhe lassen. Ich danke Euch noch einmal für Eure Hilfe. Ich bin froh, dass wir miteinander reden konnten, ohne einen Aufstand auszulösen.«
Geoffrey verbeugte sich und ging davon, folgte dem Weg zurück durch die Gasse zur Bäckerei. Sie stand da und starrte ihm verwirrt hinterher. Er war überheblich, wählte seine Worte mit Bedacht und wusste genau, wie er sie wütend machen konnte, ohne auch nur seine Stimme zu erheben. Und doch war an diesem Mann mehr als an den meisten der brutalen Ritter, die überall durch die Stadt stolzierten.
Melisende konnte die Zielstrebigkeit, mit der er seinen Ermittlungen nachging, nicht verurteilen. Immerhin war das eine Eigenschaft, die sie auch selbst auszeichnete. Sie fühlte, wie ihr Ãrger verflog, als sie um die Ecke bog. Er war gewiss nicht schön zu nennen, mit seinen markanten Gesichtszügen und einem Wappenrock, der von unzähligen Schlachten befleckt war. Dafür aber besaà er eine starke
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