Das Geheimnis der Heiligen Stadt
sein Zimmer zurück, nachdem er seine verdreckten Sachen Wolfram übergeben hatte, damit dieser sie dem Prozess der Schmutzumverteilung unterzog, die er als Waschen bezeichnete.
Wenige Augenblicke später brachte Helbye eine Nachricht von Tankred. Geoffrey überflog sie, doch es stand nichts darin, was mit den Mordfällen zu tun hatte. Tankred berichtete in überschwänglichen Worten von seinen Plänen für den Angriff auf Haifa und von einer traurigen Entdeckung, die er auf dem Weg dorthin gemacht hatte. Ãstlich von Cäsarea hatten Sarazenen den hoch angesehenen Guibert von Apulien und seine kleine Kriegerschar überfallen und bis auf den letzten Mann niedergemacht. Tankreds Leute hatten sie in der Wüste begraben. So ein Vorfall war nicht ungewöhnlich, denn Reisen auÃerhalb von Jerusalem waren stets gefährlich. Tankred fragte sich allerdings, was Guibert überhaupt so weit drauÃen in der Wüste getrieben hatte.
Geoffrey legte sich auf das Bett, doch kurz darauf erhob er sich wieder, um die Pergamentstücke hervorzukramen, die er aus Dunstans Pult mitgenommen hatte. Schläfrig zerrte er an dem Stein in der Kaminwand. Er überlegte, wie er ihn so fest zurück an seinen Platz hatte stoÃen können, dass er nun so schwer wieder herauszuziehen war. SchlieÃlich steckte Geoffrey seine Hand in das Loch und war mit einem Mal hellwach. Der Hohlraum war leer. Die Pergamente waren verschwunden.
Verblüfft wich Geoffrey zurück und schaute von dem Stein in seiner Hand zu dem Loch in der Wand. Dann entzündete er einen Kerzenstumpf und spähte in den kleinen Hohlraum hinein. Halb erwartete er, dass er sich geirrt hatte. Aber das hatte er nicht, und das Loch blieb leer.
Er wich ein weiteres Mal zurück und lieà sich schwer auf das Bett fallen. Das war unmöglich. Niemand auÃer ihm kannte dieses Versteck! Er hielt den Atem an, und sein Magen verkrampfte sich so heftig, dass er die Hand gegen den Bauch presste. Kalter Schweià stand ihm auf der Stirn und lief ihm den Nacken hinab, als er sich an den Zeitpunkt erinnerte, wo er die Pergamente versteckt hatte. Hugo hatte ausgestreckt auf dem Bett gelegen und nach dem Schlag auf den Kopf tief geschlafen. Aber Roger hatte ihn gesehen! Als Geoffrey sich herumdrehte, nachdem er den Stein wieder an Ort und Stelle geschoben hatte, war Roger wach gewesen. Er hatte sich gerekelt und irgendwelche Bemerkungen darüber fallen lassen, ob Geoffrey dort wohl seinen Wein aufbewahrte!
Mit schmerzhaft pochendem Herzen versuchte Geoffrey, seine durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen. Das war ungerecht und lächerlich! Roger würde niemals etwas aus Geoffreys Zimmer stehlen! Und selbst wenn er das täte, so konnte er doch nicht lesen. Weshalb also sollten Dunstans Notizen von irgendeinem Wert für ihn sein? Geoffrey kam eine beunruhigende Antwort auf diese Frage in den Sinn: Womöglich hatte Roger sie gestohlen, um sie jemand anderem auszuhändigen. Doch das war noch unglaubwürdiger. Zunächst einmal wusste Roger, was auf den Pergamenten stand, weil Geoffrey es ihm erzählt hatte. Warum hätte er sie also stehlen sollen? Und zweitens, wem hätte er sie geben sollen? Rogers Freunde in der Zitadelle waren Geoffrey und Hugo.
Geoffrey stand abrupt auf und lief unruhig im Zimmer umher. Diese Bewegung weckte den Hund, der ihn böse anblickte und leise über das Unrecht knurrte, zur heiÃesten Stunde des Tages aufgeschreckt zu werden. Das lenkte Geoffreys Gedanken in eine andere Richtung: Der Hund war eine unfreundliche Kreatur, und doch hatte niemand davon erzählt, dass er gebellt hätte oder sonst irgendwelche Unruhe verursachte, als Marius ermordet und Hugo verletzt worden war. Der Mörder musste also jemand sein, den der Hund kannte und nicht für eine Bedrohung hielt. Jemand wie Roger. Er erinnerte sich an Hugos Worte: »Da sah ich, wie dein Hund aufstand und mit dem Schwanz wedelte.«
Aber das ist unmöglich, sagte Geoffrey sich streng. Er schloss die Augen und dachte an jene Nacht zurück. Er war mit Roger die ganze Nacht zusammen gewesen, und sie waren gemeinsam in sein Zimmer getreten und hatten Marius tot vorgefunden. Aber nein, das war nicht ganz richtig! Er war zu dem jungen Barlow gerufen worden, den seine ersten Erfahrungen mit den schädlichen Wirkungen des Alkohols verängstigt hatten. Roger hatte Geoffrey dabei nicht begleitet. Er wartete im Hof auf ihn,
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