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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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sie anzuziehen. »Laure braucht sie als Schutz für ihre Schuhe.« Jetzt musste ich noch einen passenden Mantel finden.
    »Moment mal«, sagte Huntley. »Du kannst sie doch nicht einfach mitnehmen!«
    Ich drehte mich zu ihm um. »Ich nehme sie nicht mit, Huntley. Sie begleitet mich freiwillig, aus eigenem Antrieb. Es ist nicht zu übersehen, dass sie hier nicht bleiben kann. Sie hat nicht mehr gegessen und nicht geschlafen. Sie braucht jemanden, der für sie sorgt.«
    »Für so etwas gibt es entsprechende Einrichtungen.«
    Ich war einen ganzen Kopf kleiner als er, aber ich ging entschlossen auf ihn zu. Ich roch das Rasierwasser, das er nach seiner morgendlichen Rasur aufgetragen hatte, und konnte praktisch jedes Härchen in seinen Nasenlöchern zählen. »Das werde ich nicht zulassen, bedaure.«
    Laure begann zu weinen.
    »Sie ist krank«, protestierte Huntley. »Sie braucht einen Arzt.«
    Ich starrte ihn verwundert an. »Und was, in Gottes Namen, bin ich?«
    »Hör zu, Agnes – du arbeitest den ganzen Tag im Museum. Du bist nicht die Art Arzt, wie ihn deine Schwester jetzt braucht. Außerdem kann ich es nicht zulassen, dass das Ganze sich herumspricht. Wenn du sie mitnimmst und sie wie ein Haustier in deiner Wohnung hältst, erfährt das jeder. Ich werde zum Stadtgespräch.«
    Das steckte also dahinter. Huntley Stewart dachte nur an den Skandal. Er wollte Laure weit fortschicken, damit niemand sie sehen konnte und an sie erinnert wurde. Der Schandfleck sollte verborgen werden oder zumindest vertuscht. Bis die ganze Angelegenheit in Vergessenheit geriet.
    Plötzlich hatte ich einen Plan. »Sie braucht einen Ort, wo sie Ruhe findet«, verkündete ich. Ich wählte meine Worte sehr sorgfältig, damit sich weder Huntley noch meine arme Schwester aufregten. »Sie kann in der Priory wohnen, bis sie wieder zu Kräften gekommen ist. Ist das weit genug fort? Dadurch gibt es weniger Gerede, als wenn sie in eine Anstalt geht, Huntley. Du kannst den Leuten sagen, dass sie Großmutters Erbe ordnet. Und wir werden jemanden einstellen, der sie da draußen versorgt.«
    Huntley schien erleichtert. Er besorgte uns einen Wagen und verabschiedete sich an der Haustür von uns.

15
    April 1900
    D rei Studenten kamen zu meinem letzten Tutorium am Semesterende. Ich hatte das Fenster weit aufgerissen, was, wie sich herausstellte, unter den gegebenen Umständen ein Fehler war. Die Sonne schien hell ins Zimmer, und in der Luft lag der Geruch von Erde und modrigen Blättern. Das Gezwitscher der Stare drohte meine Worte zu übertönen. Die jungen Männer neben mir am Tisch wurden unruhig und seufzten. Von der akademischen Leistung her waren sie die drei schwächsten ihres Jahrgangs. Wahrscheinlich hätten sie schon im ersten Semester ausgemustert werden sollen, aber aus irgendeinem Grund waren sie geblieben.
    Einer von ihnen – er hieß Hornby – klaubte getrockneten Matsch von seinem Stiefel. Neben ihm saß Sean Falconbridge und wandte seinen Kopf auf dem kurzen Hals hin und her, als fiele es ihm schwer, ihn gerade zu halten. Nur der dritte junge Mann, Derek Sloan, schaute auf seine Notizen, aber die waren völlig unleserlich, weshalb sie ihm nicht viel halfen. Normalerweise hätte ich Tee gekocht, aber diese drei waren dermaßen desinteressiert, dass ich keine Lust hatte, mir die Mühe zu machen. Was sollte man mit solchen Studenten anfangen? In fünf Tagen hatten sie Prüfung, und es war hoffnungslos, sie waren nicht besser in Diagnostik als im September, als sie mit Pathologie angefangen hatten.
    Vor uns auf dem Tisch standen drei Laborgläser, und in jedem befand sich ein Herz. Ich schob das kleinste zu ihnen hin, so ähnlich, wie man einem schlafenden Hund einen Knochen anbietet.
    Dieses Herz gehörte zu meinen Schätzen. Es war nicht größer als mein Daumen und so aufgehängt, dass man den versteckten Defekt sehen konnte. Howletts Werk. Meine besten Stücke stammten entweder von ihm oder von meinem Vater, auch die drei Herzen, die wir heute betrachteten. Der Spender dieses Exemplars war ein kleines Mädchen gewesen, das noch am Tag der Geburt gestorben war.
    Ich schaute Falconbridge an und fragte ihn nach der Todesursache.
    Er zuckte die Achseln. Derek Sloan warf den Begriff Stenose in die Debatte, wusste aber nicht, was er bedeutete. Hornby starrte mit leeren Augen vor sich hin.
    Ich half ein bisschen nach. »Denken Sie an Drähte, die sich überkreuzen. Denken Sie an die Arterien.«
    Sie verstanden immer noch nicht, was gemeint sein

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