Das Geheimnis der Highlands
riskieren, zu bleiben, Mutter. Ich habe keine andere Wahl.«
»Aber Adrian ist nicht einmal hier«, protestierte sie. »Du kannst nicht auf den Titel verzichten, wenn niemand da ist, ihn zu übernehmen!«
»Mutter.« Hawk bemühte sich nicht weiter, zu erläutern, wie absurd ihr Protest war. Ihrem ängstlichen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war ihr selbst bewußt, daß sie lediglich nach jedem Strohhalm griff, den sie zu fassen bekam.
»Du redest davon, mir meine Enkelkinder wegzunehmen!« Lydia kniff die Augen fest zusammen und kämpfte gegen die Tränen an.
Hawk beobachtete sie mit einer Mischung aus inniger Liebe und amüsierter Geduld. »Es sind Enkelkinder, die noch nicht einmal geboren sind. Und es sind welche, die wir nie haben werden, wenn ich sie an das verliere, was auch immer sie in der Gewalt hat.«
»Du könntest sie weit wegbringen von diesen Ufern und sie trotzdem verlieren, Hawk. Bis wir nicht herausgefunden haben, was Macht über sie hat, wird sie niemals wirklich sicher sein«, argumentierte Lydia hartnäckig. »Sie und ich hatten uns vorgenommen, die Einzelheiten jeder ihrer Reisen zu erforschen, um Ähnlichkeiten zu entdecken. Hast du das getan?«
Mit verschlossenem Blick schüttelte Hawk den Kopf. »Noch nicht. Um die Wahrheit zu sagen, ich wollte es nicht ansprechen. Sie spricht nicht darüber. Ich halte mich zurück. Sobald wir verheiratet und fortgegangen sind, wird Zeit sein, darüber zu reden.«
»Hawk, vielleicht die Zigeuner –«
Hawk schüttelte ungeduldig den Kopf. Er hatte diese Möglichkeit schon am Morgen ausgelotet. Es war sein letzter Hoffnungsschimmer gewesen. Er hatte Rushka auf dem südwestlichen Hügelkamm mit seinen Leuten gefunden, die gerade dabei waren, die Gräben auszuheben und die sieben Hölzer für das Feuer zu sammeln. Doch Rushka hatte es schlichtweg abgelehnt, in irgendeiner Form über seine Gemahlin zu reden. Noch war es dem Hawk gelungen, ihn in ein Gespräch über den Schmied zu verwickeln. Verdammt irritierend, daß er noch nicht einmal Antworten von denen erzwingen konnte, die wegen seiner Gastfreundschaft auf ihn angewiesen waren. Aber die Roma – nun, die Roma waren in Wahrheit auf keines Mannes Gastfreundschaft angewiesen. Wenn die Dinge schwierig wurden, zogen sie um zu einem besseren Ort. Absolute Freiheit war das.
Genausowenig war es dem Hawk übrigens gelungen, den verfluchten Schmied ausfindig zu machen.
»Mutter, wo ist Adam?«
»Der Schmied?« fragte Lydia teilnahmslos.
»Genau. Der Schmiedeofen war kalt. Sein Planwagen ist weg.«
»Ehrlich gesagt, ich habe ihn nicht mehr gesehen seit … laß mich überlegen … wahrscheinlich seit ihr zwei nach Uster abgereist seid. Warum, Hawk? Glaubst du, er hat etwas mit Adrienne zu tun?«
Hawk nickte langsam.
Lydia unternahm einen erneuten Versuch. »Nun gut, aber sieh doch! Wenn du Adrienne fortnimmst und Adam hat etwas damit zu tun, kann er euch einfach folgen. Besser, hierzubleiben und zu kämpfen.«
Sie hielt den Atem an, als Hawk sie böse ansah. »Mutter, ich werde nicht riskieren, sie zu verlieren. Es tut mir leid, daßdir das nicht gefällt, aber ohne sie … aah, ohne sie …« Er verfiel in brodelndes Schweigen.
»Ohne sie was?« fragte Lydia schwach.
Der Hawk schüttelte nur den Kopf und ging fort.
* * *
Adrienne ging auf der Suche nach dem Hawk langsam über den Außenhof. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er früh morgens das gemeinsame Bett verlassen hatte. Obwohl sie wußte, daß sie bald neben ihm stehen und ihr Eheversprechen geloben würde, konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, daß irgend etwas schiefgehen würde.
Sie näherte sich den moosbewachsenen Steinen des Rundturms. Der Anblick erinnerte sie an den Tag, an dem der Hawk ihr die erste Lektion erteilt hatte, wie ein Falke gezähmt wurde.
Wie wundervoll wurde ein Falke gezähmt.
Sie öffnete die Tür und spähte hinein, und ein leichtes Lächeln formte sich auf ihren Lippen. Wie erschrocken und fasziniert sie an jenem Tag von Hawk gewesen war. Wie versucht und voller Hoffnung, jedoch unfähig zu vertrauen.
War das ein Flügelschlag, den sie gehört hatte? Sie blinzelte in die Dunkelheit, dann ging sie hinein.
Ein Teil von ihr war nicht überrascht, als sich die Tür schnell hinter ihr schloß.
Als sie in Dunkelheit getaucht war, hatte sie plötzlich verstanden. Dies war die Gefahr, die sie so gefürchtet hatte – was oder wer auch immer hinter ihr war.
Adrienne hatte auf einmal das
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