Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
seiner Tasche.
Wemke sah ihm mit Tränen in den Augen nach. Sie betete, dass alles gutgehen möge!
Wie so oft lenkte Freya sie von ihren sorgenvollen Gedanken
ab. Das kleine Mädchen strahlte, rief: »Put, put«, und wies auf die Hühner, die vom Fenster aus zu sehen waren.
»Ich werde jetzt den Korb holen, und dann kann diese kleine Dame hier die Eier vom Federvieh einsammeln.« Krischan stupste mit dem Zeigefinger an Freyas Nase. »Danach wollen wir mal sehen, ob du auch reiten kannst. Wir haben hier nämlich einen Schaukelseehund, der seit Jahren keinen Auslauf gehabt hat.«
Wemke lächelte ihm dankbar zu. Wie liebevoll sich der Hüne um Freya kümmerte. Krischan mochte aufgrund seiner massigen Gestalt unbeholfen wirken, doch das war er nicht. Seine Hände schienen zu groß und kräftig für zierliche Arbeiten zu sein, doch die kleine Flöte hatte Wemke vom Gegenteil überzeugt.
Krischan nahm Wemkes Hand in seine und drückte sie kurz. »Machen Sie sich mal keine Sorgen wegen dem kranken Doktor. Der Jeels, der kann was!« Dann trat er mit Freya auf den Hof hinaus.
Wemke blieb alleine zurück. Sie ließ sich auf einen der Holzstühle beim Fenster sinken und stützte den Kopf in die Hände. Wie anstrengend Warten sein konnte! Wäre Jeels nur erst zurück, damit sie Gewissheit hätten. Was für eine verrückte Situation. Hier saß sie nun also, im Haus des Mannes, zu dem ihre Gedanken ständig wanderten. Und sie hoffte darauf, dass er dem Mann half, der sie beide voneinander trennte.
Und endlich sah sie, wie er sich von weitem dem Haus näherte. Jeels rannte förmlich. Als er sie am Fenster entdeckte, überzog ein Lachen sein ganzes Gesicht und er winkte ihr, den Arztkoffer schwenkend, zu. Wemke stürzte zur Tür hinaus, ihm entgegen. Ihr wurde es leicht ums Herz. Es mussten gute Nachrichten sein!
»Es sind die Windpocken«, rief er freudestrahlend.
Tränen der Erleichterung liefen Wemke aus den Augen, als
sie schwer atmend vor ihm stehen blieb. Beinahe hätte sie sich, einem Impuls folgend, in seine Arme geworfen.
»Und, denk dir nur, die Hofrätin hat sich auch angesteckt.«
Wemke lachte unter Tränen, während Jeels fortfuhr. »Die Arme leidet fürchterlich. Sie hat starke Kopfschmerzen, und der ganze Körper tut ihr weh. Dagegen hat es Dr. Hoffmann nur leicht erwischt. Seine Haut juckt natürlich wahnsinnig, aber er erträgt es tapfer. Dass es nicht die Pocken sein können, habe ich relativ schnell erkannt. Dein Mann ist bedeckt von nässenden Bläschen. Die ersten juckenden Stellen sind schon getrocknet und verkrustet. Daneben haben sich neue Pusteln gebildet. Die Pocken dagegen verlaufen nie schubweise und sie zeigen niemals verkrustete Blasen neben frischen. Im Anfangsstadium war das für Konrad natürlich nicht zu erkennen. Deshalb konnte er die Pocken nicht ausschließen.«
»Gott sei Dank«, seufzte Wemke erleichtert. »Was bin ich froh! Ich hatte schon solche Angst.«
»Ja, alle waren froh. Was mir ein wenig Sorge bereitet, ist, dass dein Mann recht kurzatmig zu sein scheint. Ich hoffe, dass die Windpocken ihn im Hinblick auf seine Lungenerkrankung nicht zu sehr belasten. Aber da müssen wir abwarten. Natürlich hat sich, kaum dass ich angekommen war, sofort herumgesprochen, dass ich Arzt bin. Etwas, das ich eigentlich nicht an die große Glocke hängen wollte. Etliche Gäste sind sogleich mit ihren Wehwehchen bei mir vorstellig geworden. Darum hat es auch etwas länger gedauert, bis ich den Heimweg antreten konnte.« Wie ein Wasserfall sprudelten die Worte aus Jeels’ Mund. Auch ihm war die Erleichterung anzumerken. »Der Hofrat hat mich gebeten, Dr. Hoffmann vorerst zu vertreten. Eine Bitte, die dein Mann selbst übrigens auch ausgesprochen hat. Ich soll dich, und vor allen Dingen auch Freya, grüßen. Frau Bartling wünscht sich bei dir zu entschuldigen und bittet um deine baldige Rückkehr.«
Wemke verzog das Gesicht.
»Sag mal, hast du schon die Windpocken gehabt?«, wechselte Jeels rasch das Thema.
»Schon als ganz kleines Kind.« Wemke lachte und zeigte ihm eine verbliebene Narbe am Handgelenk. Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. »Alles in mir sträubt sich, zu Frau Bartling zurückzukehren. Für sie zu arbeiten ist die reinste Sklaverei. Mir bleibt keine Sekunde Zeit für Freya. Wir entfremden uns, und das ist das Letzte, was ich mir wünsche. Außerdem war das Verhalten der Frau Geheimen so unmöglich, dass ich überhaupt keine Lust habe, wieder unter ihrem Dach zu
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