Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
scheuchte Wemke und das Kind von sich.
Der Ausbruch ließ Wemke zusammenzucken. »Schluss jetzt!«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Sie erschrecken Freya noch zu Tode.« Das verängstigte Kind barg den Kopf an Wemkes Schulter, und sie strich dem Kind besänftigend über das Haar. »Es ist alles gut, mein Engel.«
Wemke schüttelte den Kopf. Wie konnte die Hofrätin sich nur so gehenlassen? Wie eigensüchtig es war, in solch einer Lage ausschließlich an das eigene Leben und das der Gäste zu denken. Und dabei war Konrad all die Jahre fast Tag und Nacht für die Badeanstalt im Einsatz gewesen. Alles andere hatte er hintangestellt. Ihn hatte keine noch so schwere Erkrankung abgeschreckt. Und das war nun der Dank. Die Hofrätin warf sie einfach hinaus!
Mit Freya auf dem Arm wandte Wemke sich entschlossen von den beiden Frauen ab und ging. Es gab jetzt Wichtigeres, als sich über die Hofrätin zu ärgern. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Wir werden gehen - so oder so. Ihr Verhalten wird Konrad zutiefst erschüttern und enttäuschen. Aber ich kenne einen Ort, wo wir Aufnahme finden werden. Zumindest hoffe ich es.«
Die Hofrätin machte große Augen. »Hier auf der Insel? Aber wohin wollen Sie denn gehen? Niemand wird Sie …«
Mit einem lauten Geräusch schloss Wemke die Tür hinter sich und beendete so das Gezeter der Frau Geheimen.
Auch von der Tür aus nahm Wemke die Blässe in Konrads Gesicht wahr. Er hatte darauf bestanden, dass sie in genügendem Abstand zu ihm stehen blieb. Es erschütterte Wemke, ihn so krank und verzweifelt zu sehen.
»Du und die Kleine, ihr müsst das Haus verlassen.« Konrads Worte waren kaum zu verstehen. »Versprich es mir! Ich komme schon zurecht. Stell mir einen Krug Wasser vor die Tür und ein wenig zu essen. Noch ist es mir nicht ganz klar, um welche Krankheit es sich handelt. Doch es sieht, wie Hubert schon richtig vermutet hat, nach den schwarzen Pocken aus. Ich muss Gewissheit haben, und dafür braucht es Zeit. Ich würde, weiß Gott, gerne von hier fortgehen. Aber es ist mir nicht möglich. Ich bin einfach zu schwach. Und wer würde uns auch schon aufnehmen. Ich kann nur auf einen gnädigen Gott hoffen, der zumindest euch verschont.«
Wemke schüttelte den Kopf. »Ich lass dich hier nicht alleine zurück. Niemand wird sich um dich kümmern.«
»Doch«, sagte eine entschlossene Stimme hinter ihr. Der Hofrat war ins Zimmer getreten und legte seine Hand auf Wemkes Arm. »Gehen Sie unbesorgt, meine Liebe. Ich werde persönlich über Ihren Gemahl wachen. Die unglaubliche Angst vor dieser ansteckenden Krankheit scheint meiner Gattin ja schier den Verstand geraubt zu haben. Aber Finchen soll es nur ja nicht wagen, den Kranken aus dem Haus zu werfen. Dann wird sie einmal im Leben meinen Widerstand zu spüren bekommen.« Er lächelte so grimmig, dass Wemke ihm einfach glauben musste. Erleichtert atmete sie auf. Sie hätte es der Hofrätin zugetraut, dass sie Konrad in ihrer Abwesenheit kurzerhand auf das nächste Schiff verfrachten ließ.
»Danke«, sagte sie leise. »Ich gehe jetzt zu Jeels van Voss. Er
ist Arzt, und wenn mich nicht alles täuscht, dann wird er innerhalb kürzester Zeit hier auftauchen, um nach Konrad zu sehen. Und Gnade der Hofrätin Gott, wenn sie ihn nicht zu meinem Mann vorlässt!«
Der Hofrat blickte sie erstaunt an. Solche Worte war er von den Bediensteten nicht gewohnt. Doch dann nickte er ihr zu und versprach, dass Jeels alle Türen offen stehen würden.
»Wemke«, mischte Konrad sich jetzt wieder in das Gespräch ein. Seine Stimme klang völlig entkräftet. »Jeels van Voss braucht mir nicht zu helfen. Das ist viel zu gefährlich. Aber der Fremde hat schon damals angeboten, dass du bei ihm stets Zuflucht suchen könntest. Ich habe seine Augen gesehen. Er ist ein guter Mensch und wird dir helfen. Bleibe für einige Zeit dort. Und wenn du es nicht für dich tun magst, so tu es für das Kind«, flehte er. Es rührte Wemke, wie sehr er an Freya hing. Das kleine Lächeln, das bei der Nennung ihres Namens seine Mundwinkel hob, war herzzerreißend. Sie liebte diesen Mann nicht, empfand aber eine tiefe Zuneigung und Verbundenheit. Es tat ihr in der Seele weh, Konrad so leiden zu sehen.
»Mach dir keine Sorgen, uns wird nichts geschehen«, antwortete sie mit bebender Stimme. »Ich werde jetzt Freya von hier fortbringen, wie du es dir wünschst.«
24
K rischan sah schon von weitem die junge Frau mit dem Kind auf ihrem Arm. Auf dem Rücken trug
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