Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
wohnen.«
»Zunächst einmal bleibt ihr beiden einfach hier bei uns. Das hält auch dein Mann für das Beste. Er ist wirklich ein kluger und verständiger Mensch. Man merkt, dass ihm sehr viel an dir und Freya liegt.« Jeels hatte einen betont heiteren Ton angeschlagen, doch bei seinen Worten verkrampfte sich Wemkes Magen. Jeels hatte Recht. Konrad war so gut zu ihnen. Und doch schlug ihr Herz vor Freude höher bei der Aussicht, noch einige Tage in Jeels’ und Krischans Kate verbringen zu dürfen.
»Also gut. Ich nehme dein Angebot gerne an«, entschied sie. »Aber einen Krankenbesuch werde ich Konrad noch heute abstatten. Ich möchte mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es ihm gutgeht.«
»Dann geh gleich, bevor es dunkel wird«, schlug Jeels vor. »Krischan und ich kümmern uns um Freya. Wo ist sie eigentlich?«
»Dein Freund hat sie mitgenommen zum Strand.«
Jeels lächelte. »Ich glaube, deine kleine Schwester hat ihn ganz schön um ihren Finger gewickelt.«
»Da hast du uns aber einen Schrecken eingejagt.« Wemke ließ sich neben Konrad auf das Bett sinken und griff nach seiner
Hand. Er wirkte schmal und blass, wie er so in den Kissen lag. Seine Augen waren rot umrändert und vor Fieber glänzend.
»Wemke, ich danke dir. Auch dafür, dass du Dr. van Voss zu mir geschickt hast. Dieser Arzt ist wirklich ein ganz besonderer Mensch. Ruhig und besonnen hat er mich untersucht und meine Bedenken abgewehrt. Ich glaubte tatsächlich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Wie bin ich ihm dankbar! Vor lauter Sorge um dich und das Kind wäre ich fast gestorben. Und dann die wild gewordene Hofrätin. Ihre Stimme drang bis in meine Schlafkammer. Sie hätte uns drei am liebsten sofort von der Insel gejagt! Ich habe nachgedacht und befunden, dass es genug ist. Dies wird mein letztes Jahr hier auf Wangerooge sein. Ich streiche die Segel und werde mich in den Ruhestand versetzen lassen. Wir finden schon eine andere Insel, auf der ich mit meiner Erkrankung gut aufgehoben bin. Das Gängeln der Frau Geheimen habe ich so satt. Ihre einzig richtige Entscheidung war es, mir eine Frau zu suchen.« In seinen Augen blitzte der Schalk. Etwas, das Wemke von diesem sonst so ernsten Mann nicht kannte.
In ihrer Kehle bildete sich ein Kloß. Einerseits strebte alles in ihr fort von der Hofrätin, andererseits wollte sie die Insel nicht mit Konrad verlassen.
»Dr. van Voss hat zugesichert, mich zu vertreten«, sagte Konrad. Das Sprechen schien ihm schwerzufallen. In seinem Mundwinkel klebten einige verkrustete Blutstropfen. Seine Schleimhäute waren entzündet und die Bläschen mussten höllisch wehtun. Wemke schenkte ihm Wasser aus dem Krug ein. Sie wollte nicht über Jeels sprechen und begann schnell, von Freya zu erzählen. Ihre Geschichten über das Kind brachten Konrad zum Lachen, welches in einem Schmerzenslaut endete. Mit dem Tuch tupfte er sich Blutspuren vom Mund.
»Ich kann nicht lachen, dann reißen die Bläschen um meinen Mund auf. Also, bitte ganz ernst bleiben.« Er griff nach
ihrer Hand und streichelte sie sanft. »Wemke, wenn wir dies alles hinter uns gelassen haben, dann werde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit du mit mir glücklich wirst. Ich liebe dich!«
Wemke wich seinem Blick aus. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und wusste auch nicht, was sie erwidern sollte. So deutlich hatte er seine Gefühle für sie noch nie geäußert, und sein Versprechen lud ihr eine große Bürde auf. Himmel und Hölle würden nichts nützen, denn ihre Sehnsucht galt einem anderen. Aber das konnte sie Konrad nicht sagen.
Langsam ging sie den Weg zurück, den sie vor einer Stunde entlanggerannt war. Das Meer murmelte so leise, dass sie zum ersten Mal das Rascheln des Dünengrases bewusst wahrnahm. Die Abendsonne schien ihre Glieder weich werden zu lassen. Wemke kniete nieder und vergrub die Finger im sandigen Boden.
Sie wollte nicht von der Insel fliehen. Sie wollte hierbleiben, und sie wollte mit Jeels zusammen sein. Eine seltsam prickelnde Erregung durchfuhr sie beim Gedanken an ihn. Wemke wusste, dass sie sich schuldig fühlen sollte, doch da war nur diese große schmerzliche Sehnsucht in ihr.
Als sie zur Kate zurückkehrte, war es dort sehr still. Kein Lachen schallte ihr entgegen, kein Flötenton erklang. Jeels nickte ihr nur zu und wies stumm auf eine der Butzen, aus der ein Jammern klang.
»Windpocken«, sagte er leise. »Als Krischan mit Freya nach Hause kam, da ging es ihr schon
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