Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
ihre Herzen sich schon lange nacheinander sehnten? Sie biss sich auf die Lippen. So viel war geschehen an diesem Abend, dass dieses Wissen nun kaum mehr zu ertragen war. Hätte es sie nur niemals auf diese Insel verschlagen.
Das Bellen des Hundes lenkte Wemke ab. Sie beugte sich zu ihm hinunter und streichelte seinen Kopf. »Danke, mein Lieber.«
Jeels drehte sich um und sah gerade noch, wie Wiltert hinter einer Düne verschwand. Er atmete auf. »Hoffentlich habe ich diesem Burschen einen Denkzettel verpasst, den er nicht so schnell vergisst.« Er wandte sich wieder dem Meer und Wemke zu. »Ich glaube, Sie kennen noch nicht einmal meinen Namen«, sagte er mit einem zaghaften Lächeln. »Ich bin Jeels van Voss.«
»Wemke Jacobs.« Sie runzelte die Stirn und verbesserte sich dann: »Jetzt natürlich Wemke Hoffmann.«
»Ich weiß«, sagte Jeels knapp. »Vielleicht sollten wir uns duzen nach diesem gemeinsamen Abenteuer.«
Er umschloss ihre Hand mit seiner und trat dann einen Schritt zurück.
»Ich muss gehen«, sagte Wemke. Insgeheim hoffte sie darauf, dass er sie zurückhielt.
Doch Jeels nickte nur. »Ja, das musst du. Ich werde dich noch ein Stück begleiten.«
Als Wemke den ersten Schritt tun wollte, durchfuhr sie ein stechender Schmerz. Jeels sah, wie sich ihr Gesicht verzog. Sie presste eine Hand auf den Rücken und sank in die Knie. Scheinbar hatte sie sich beim Stürzen verletzt.
»Ich kann nicht auftreten«, presste sie hervor.
Jeels beugte sich zu ihr hinab, legte vorsichtig beide Hände an ihre Seiten und versuchte sie aufzurichten. Er bemerkte, wie sie die Zähne in die Unterlippe bohrte, um nicht aufzuschreien, und ging umso behutsamer vor.
Es gelang ihm, sie auf die Beine zu stellen. Wemkes linker Arm war zerkratzt, und auch von den nackten Beinen rann das Blut. Die Steine am Strand hatten ganze Arbeit geleistet. Doch Wemke schien die kleinen Verletzungen kaum zu bemerken. Sie hielt nur ihren Rücken. Langsam rollte eine dicke Träne über ihre Wange, und sie warf Jeels einen verlegenen Blick zu. »Nun weine ich schon wieder! Was musst du nur von mir denken?«
»Ich will versuchen, dir zu helfen«, sagte Jeels ernst. »Meine Finger sind gute Wünschelruten und können erspüren, woher der Schmerz rührt. Bleib ganz still stehen und vertrau mir.«
Er stellte sich hinter sie und strich mit den Händen über ihren Rücken. Wemke überließ sich seinen tastenden Fingern. Ihr Herz pochte so wild, dass sie glaubte, Jeels müsse es hören. Sie zwang sich, seine Berührungen gelassen hinzunehmen. Ein Teil des jähen Schmerzes war mit ihren Tränen davongeflossen. Als Jeels sich mit einem leisen triumphierenden Laut wieder aufrichtete, streckte Wemke sich langsam und atmete kräftig durch. Vorsichtig tat sie einige Schritte. Ja, es ging wieder! Der Schmerz war zwar nicht verschwunden, aber immerhin konnte sie sich wieder bewegen.
»Ganz langsam. Du solltest es nicht gleich übertreiben.« Jeels führte sie zu einem der Badekarren. Sie setzte sich gehorsam hin, und Benno, der ihnen gefolgt war, legte sich ihr zu Füßen.
Jeels betrachtete Wemke von der Seite. Sie war keine Schönheit auf den ersten Blick, keine von der Sorte, die mit aufreizender Kleidung und schwerem Duft seine Studentenkollegen umworben hatten. Ihre Haut war feinporig, und sie duftete nach der Sonne des Tages und frischer Luft. Ihre klugen blauen Augen wiesen auf einen gesunden Menschenverstand hin. Ihre Glieder waren schlank und etwas Feines haftete diesem Mädchen an. Sie hatte nichts Derbes, wie viele der Insulanerinnen.
Je länger Jeels die Frau neben sich ansah, desto mehr Schönheit konnte er entdecken. Wemke bekam von seinen verstohlenen Blicken nichts mit; sie kämpfte immer noch mit dem Schmerz, der ihren Rücken durchzog. Mit der Schulter lehnte sie wie selbstverständlich an seiner Brust.
»Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin«, sagte Jeels bedauernd.
Langsam wandte Wemke ihm das Gesicht zu. Ihr Blick streifte das im Mondlicht schimmernde Haar und wanderte zu seinen Augen, in denen ein warmherziger Ausdruck lag. Immer noch stützte seine Hand ihren Ellenbogen.
Benno erhob sich und schüttelte den Sand aus seinem Fell. Er baute sich vor den beiden auf, als wollte er sagen, dass es Zeit sei zu gehen. Wemke musste lachen.
»Er ist vernünftiger als ich. Ich muss wirklich zurück. Die anderen werden sich sonst um mich sorgen.« Eine Spur von Bedauern lag in ihrer Stimme. »Ich fürchte, an dieses
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