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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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das mehr Freude bereitet. Tedamöh hat mir ein Buch gebracht.« Ihre Augen funkelten jetzt vor Freude. »War es schön am Strand?« Sie wandte sich wieder dem Inhalt des Butterfasses zu.
    Reemke betrachtete verstohlen die Mutter, die die gelbliche Masse mit zwei Holzlöffeln bearbeitete, als ginge es um ihr Leben. Dann senkte sie den Blick.
    »Ich habe meine Zeit vertan«, antwortete sie leise.
    Die Mutter sah auf und seufzte still. Mit hängenden Schultern stand die Tochter vor ihr. Das arme Kind. Reemke hatte es schwer hier auf der Insel. Und es würde noch schlimmer werden, je älter sie wurde. Wer wusste das besser als sie selbst? Mitleid für ihr Kind wallte in ihr auf.
    Jeelke liebte Reemke, aber nicht mit der gleichen Intensität, mit der sie ihren Erstgeborenen geliebt hatte. Und manchmal fragte sie sich verzweifelt, warum dieses Mädchen leben durfte,
während der Sohn hatte sterben müssen. Warum nur hatte Gott, in seinem allmächtigen Rat, nicht die Tochter genommen? Es wäre ein Gnadenakt gewesen. Sie würde doch nur Leid erfahren auf diesem verdammten Eiland.
    Der Sohn war ein Wunder gewesen. Gezeugt von dem einzigen Mann, der jemals ihr Herz besessen und ihr im Gegenzug seine Liebe geschenkt hatte. Für diese Liebe hatte sie einen hohen Preis bezahlt.
    Ein bitteres Seufzen kam über die Lippen der Mutter. Ihr Gesicht hatte einen harten Ausdruck angenommen. Mit heftigen Bewegungen schlug sie die Butter. Sie hatte gesündigt und war bestraft worden. Nein, verbesserte sie sich, sie wurde immer noch bestraft, jeden Tag, jede Stunde. Aber, bei Gott, sie bereute nichts. Diese wunderbare Liebe war es wert gewesen.
    Sie hatte Friedrich angebetet. Von Heirat und einer Familie, von Reichtum und Ansehen hatte sie geträumt. Und in ihren Träumen waren diese Wünsche wahr geworden. Gegen den Willen des Vaters hatte sie sich mit dem Geliebten getroffen. Als Napoleon die Regentschaft übernahm und selbst hier, weit entfernt von Frankreich, die Männer zu den Waffen rief, da hatten sie einen süßen Abschied gefeiert. Doch der, dem ihr Herz gehörte, war nicht wieder heimgekehrt. Sie war alleine zurückgeblieben, mit einem Faustpfand unter dem Herzen.
    Ihr Vater war außer sich gewesen, als die Schwangerschaft ans Licht kam. Nie hätte sie geglaubt, dass er sie, sein einziges Kind, würde fallenlassen. Er, der stets bemüht gewesen war, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Doch dann hatte er sich von ihr abgewandt und sie mit dem Erstbesten vermählt, der willig war. Ein rothaariger Bursche, der einen Sommer lang auf einem seiner Schiffe gefahren war. Das Geld musste den Mann gelockt haben, und vielleicht auch ihr junger Körper. Den besaß er nun, so oft es ihm gefiel, doch ihr Herz gehörte immer noch Friedrich.

    Der rothaarige Fremde hatte sie hierhergebracht, in die Einsamkeit. Er gab ihr seinen Namen, aber sonst nichts. Kein freundliches Wort, nur Befehle und Schläge. Von Anfang an war Jeelke nicht besser behandelt worden als eine Magd. Vielleicht hätte sie in ihrer Verzweiflung den Tod gewählt, wenn da nicht die Kinder gewesen wären. Zunächst der Sohn, in dem sie das Ebenbild Friedrichs erkannte. Er war immer schwächlich gewesen und dann, kaum drei Winter nach seiner Geburt, an einer Kinderkrankheit gestorben. Nur kurz konnte sie sich in die Trauer zurückziehen, dann drängte ihr zweites Kind auf die Welt. Der Säugling forderte sein Recht. Und so hatte Reemke sie wieder ins Leben zurückgeholt.
    Dankbar war Jeelke der Tochter nicht dafür. Und sie würde auch nur so lange bleiben, bis Reemke sie nicht mehr brauchte, das hatte sie sich geschworen. Denn außer der Tochter gab es auf dieser verdammten Insel niemanden für sie. Keiner sprach mit ihr oder nahm überhaupt Notiz von ihr. Die Inselbewohner taten, als gäbe es sie überhaupt nicht. Einmal hatte Jeelke sich ein Herz gefasst und war am Sonntag in die Kirche gegangen. Nicht, dass sie besonders christlich wäre, aber es hatte sie gedrängt, wieder einmal unter Menschen zu sein. Der Pastor war bei ihrem Anblick blass geworden. Stumm hatte er zur Tür gewiesen, und man hatte sie fortgejagt wie eine Bettlerin. Seit diesem Tag wusste sie auch, warum ihr Mann hier keine Frau hatte finden können. Alle van Voss waren Geächtete.
    Wie hatte sie gehungert nach einem guten Wort. Ohne Zuwendung war man wie lebendig begraben. Außer mit Tedamöh, der Hebamme, die auf die Meinung der anderen nichts gab, hatte sie bis heute mit keiner Seele Umgang. Und nun

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