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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Beim Kämpfen brachen alles Aufgestaute, aller Zorn und alle Enttäuschung aus ihm heraus. Dies und dazu seine unglaubliche Kraft und Wendigkeit machten ihn zu einem unberechenbaren Gegner. Man erzählte sich, dass er für den Tod etlicher Männer verantwortlich sei. Es könne nicht mit rechten Dingen zugehen, dass er immer Sieger blieb, wisperten die Dorfbewohner. Und so legte sich kaum j emals ein Wangerooger mit ihm an.

    »Ich brauch was zu essen, aber schnell.« Sein Ton verriet, dass er keinen Aufschub mehr dulden würde.
    Die Mutter holte eilig Löffel und Messer herbei. Dann brachte sie einen Krug mit Bier und einen mit Wasser. »Der Eintopf ist schon über dem Feuer.«
    Sie füllte ihm eine Schale. Der Vater aß und trank, als seien die beiden Frauen gar nicht da.
    Als Kind hatte Reemke den Vater mehr als alles auf der Welt gefürchtet. Manche Nacht war sie zitternd aufgewacht, wenn die Angst vor ihm zum erstickenden Grauen wurde. Mit kalter Stimme hörte sie ihn der Mutter, die er tagsüber kaum beachtete, drohen. Ihr kleiner Körper erstarrte. Denn nach den Worten kamen die Schläge und die unterdrückten Schreie der Mutter. Ihr verzweifeltes Flehen griff nach Reemkes Herz.
    Manchmal hielt sie es nicht mehr aus und schrie, bis der Vater kam und sie auch geschlagen wurde.
    An den Morgen danach waren die Schrecken der Nacht nur noch gedämpft spürbar. Niemals sprach die Mutter mit ihr darüber. Es war eine stille Vereinbarung, dass der Vater kaum jemals erwähnt wurde. Die Folgen der Nacht erkannte Reemke dann an dem Schal, den die Mutter trotz Sommerhitze eine Woche lang trug, oder an den Verbänden mit Ringelblumensalbe. Das waren die Tage, an denen Tedamöh sie besuchte. So sehr Reemke die Verletzungen verabscheute, so sehr liebte sie Tedamöh. Sie hing an der ruppigen Hebamme wie ein Schoßhündchen - und das bis heute.
    Die Furcht vor dem Vater war mit den Jahren einem Gefühl kalter Wut gewichen. Er hatte die Mutter nur des Geldes wegen geheiratet und damit sie das Haus in Ordnung hielt, die Tiere hütete und kochte. Eine Magd hätte ihn mehr gekostet.
    Sie, Reemke, war etwas, das er niemals hatte haben wollen. Das wusste sie schon lange. Reemke verzehrte sich nicht nach seiner Liebe oder Anerkennung, aber sie wollte beachtet werden.
Sie war ein Mensch mit Gefühlen und kein Ding oder Tier. Dass Tede alle anderen Menschen auf der Insel mit derselben Gleichgültigkeit behandelte, war ihr kein Trost.
    Während der Vater mit gesenktem Kopf den Eintopf in sich hineinschaufelte, klopfte es an der Tür. Erschrocken fuhr Reemke aus ihren Gedanken hoch.
    Draußen stand Henrietta, eine der ruhigeren Frauen des Dorfes, mit ihrem halbwüchsigen Sohn Gerd. Sein Vater war im vorigen Jahr bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen. Der Junge machte einen benommenen Eindruck. Sein Gesicht war weiß wie frisch gefallener Schnee und der linke Arm stand in einem ungewöhnlichen Winkel vom Körper ab. Er trug einen Verband, der vom Blut rot gefärbt war.
    Es geschah nicht oft, dass einer der Insulaner den Weg zur Kate fand. Und wenn, dann war es, um Tede van Voss um Hilfe zu bitten, so wie jetzt.
    Der Vater sah kaum auf, doch Reemke wusste, dass er für diese Momente lebte. »Sonst bin ich nur Dreck, aber dann kommen sie angekrochen, damit ich ihnen helfe«, hatte er eines Abends verächtlich gesagt. »Da macht es mir besondere Freude, sie zappeln und mir das Helfen gut bezahlen zu lassen.«
    »Er ist vom Stalldach gesprungen.« Henriettas Stimme zitterte. »Eine Mutprobe.«
    Reemkes Vater verzog geringschätzig das Gesicht.
    »Bitte, werter Meister van Voss, hilf ihm. Richte seinen Arm, dass er nicht Zeit seines Lebens ein Krüppel bleibt.«
    »Was hab ich davon?« Reemkes Vater schob den Teller zurück und stand auf, um sich an den Dörflern vorbei aus der Tür zu schieben. Doch Henrietta hielt ihn zurück. »Ich habe dir wahrhaft gute Dinge mitgebracht: Schinken und Speck. Dazu einen edlen Tropfen. Sag, was das Zusammenflicken kostet. Am Geld soll es nicht scheitern.«
    »Zeig her!«

    Mit flinken Fingern legte sie die Gaben vor ihm auf den Tisch.
    »Aber du hast doch selbst kaum genug zum Leben, seit dein Mann tot ist.« Reemkes Mutter wandte sich ihrem Mann zu. »Bitte, Tede, hilf dem Jungen umsonst.«
    »Halt den Mund«, befahl dieser barsch. »Und nun, alle Sachen vom Tisch.« Mit mitleidlosen Augen blickte er den Jungen an, der vor Angst und Schmerzen zitterte. »Wollen mal sehen, wie wir dich zurichten

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