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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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alleine gehaust hatte, war den Flammen nur entgangen, weil sie nicht im Haus gewesen war. Ohne ein Dach über dem Kopf hatte sie nicht auf der Insel bleiben können und war zu ihrer Tochter aufs Festland gezogen.
    Die Insulaner hielten die Augen auf. Sie besprachen die Brandfälle, und immer wieder fielen zwei Namen: Krischan und Onno.
    Krischan, der Strandstreicher, der so sehr an der Insel hing, dass er sie selbst dann nicht verlassen hatte, als ihm niemand
auch nur den Zipfel einer Wurst anvertraute, und Onno, der ohne Vater aufwuchs und aus diesem Grund allein schon missraten sein musste. Dessen Großmutter ja auch immer das Maul aufriss und sich gegen alles und jeden stellte.
    Wiltert hatte noch eine dritte Person ins Spiel gebracht: Jeels van Voss. Sah dieser mit seinem roten Haar nicht schon aus wie ein Feuerteufel? Es lag den van Voss doch außerdem im Blut, dass sie Übles wollten. Und hatten die Brände nicht erst angefangen, seit dieser Mann auf der Insel weilte? Wiltert hatte die Erinnerung an Jeels’ Mutter und vor allen Dingen seine männlichen Vorfahren wachgerufen.
    Einer von den dreien musste verantwortlich sein. Die Angst ging unter den Inselbewohnern um. Bislang hatte man niemanden auf frischer Tat ertappt. Wer wusste schon, was sich der Übeltäter als Nächstes ausdachte und wen es erwischen würde? Noch war kein Mensch ums Leben gekommen. Aber das schien nur eine Frage der Zeit zu sein.
    Wer willentlich Menschen und Tiere in Gefahr brachte, war in den Augen der Insulaner ein Verbrecher. Nicht, dass die Wangerooger nicht an Todesfälle gewohnt gewesen wären. Schließlich toste um sie herum das Meer, und immer wieder ertranken Insulaner. Doch mit der See verhielt es sich anders. Sie forderte zwar auch Menschenleben und nagte mit gierigen Fingern an der Insel, sicherte den Bewohnern aber andererseits auch ihr Auskommen. Für die Hinterbliebenen war es ein hartes Los, wenn wieder ein Mann auf See blieb.
    In den letzten Jahren hatten viele Witwen als Badeweiber gearbeitet. Das Vergnügen der einen war die Plage der anderen. Für die ausgelassene Schar der weiblichen Gäste betätigten sich die von oben bis unten vermummten Insulanerinnen als dienstbare Geister. Sie trugen lange, hochgeschlossene weiße Leinenblusen, Kopftücher und dunkle Röcke, die bis zu den Knöcheln reichten.

    Die Badeweiber zogen die Karren, in denen sich die Badegäste entkleideten, ins Wasser und halfen beim Umkleiden. Sie unterstützten die Frauen auf Wunsch beim Baderitual, das zumeist ausschließlich auf das Eintauchen in die Fluten beschränkt war. Die Badekutschen waren ziemlich geräumig, mit Segeltuch überzogen und oben mit einem Schirmdach versehen. Innen gab es Bänke sowie Haken und Netze zum Aufhängen von Kleidungsstücken. Am hinteren Ende der Kutsche gab es eine Tür zum Ein- oder Ausstieg ins kalte Nass. Vorne war eine unbewegliche Deichsel, mit der das Gefährt rückwärts in die Fluten geschoben und dann wieder herausgezogen werden konnte. Stundenlang mussten die Badeweiber in sengender Hitze am Strand stehen. Für sie hielt man, im Gegensatz zu den Gästen, keine kühlen Getränke bereit. Wurde eine Kutsche frei, so wartete schon der nächste Gast auf sein Bad.
     
    Heute, an einem der letzten Juniabende, dachte kein Mensch an die Unglücksfälle der vergangenen Wochen, und die Badeweiber vergaßen ihre anstrengende Arbeit. Die geheime Hofrätin veranstaltete das alljährliche Strandfest, zu dem auch die Insulaner eingeladen waren. Oder besser gesagt, für das man sie mit Aufgaben betraut hatte.
    In der Nähe des Damenstrandes war ein riesiges Zelt aufgebaut und mit Fähnchen und Blumen geschmückt worden. Bunt gefärbte Lampen hingen draußen und drinnen. Schon am Morgen hatte man Bänke und Tische aufgestellt. Es gab eine festgestampfte Fläche, auf der später auch getanzt werden sollte.
    Der Wirt vom Ankerplatz übernahm es, Gäste und Insulaner mit Getränken zu versorgen. Die geheime Hofrätin war eigens bei einem renommierten Brauhaus vorstellig geworden und hatte reichlich Bier bestellt. Es war gestern schon mit dem Fährschiff Telegraph in Fässern angeliefert worden. Auch an
herrlichen Speisen fehlte es nicht. Frau Bartlings Köche hatten den ganzen Tag damit zugebracht, eine Vielfalt an Köstlichkeiten zu zaubern, an denen sich ausnahmsweise auch die Insulaner würden laben dürfen. Angestellte der Hofrätin standen parat, um die Speisen aufzutragen. Einige Einheimische, wie der Wirt und auch

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