Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
Bild einer Frau mit leuchtendem Haar, blasser Haut, um die Nase gesprenkelt mit Sommersprossen, und dem gleichen eindringlichen Blick heraufzubeschwören. Schließlich drehte er seufzend den Docht der Lampe herunter. Ein letzter blauer Lichtfunke flackerte auf und erlosch.
Das Kerzenlicht auf dem Sekretär brannte noch. Jeels zog den Stuhl zurück und ließ sich darauf sinken. Einen Augenblick saß er reglos da. Dann griff er mit leicht zitternden Händen nach dem Tagebuch. Er fühlte sich plötzlich nur noch elend. In dem Buch zu lesen fiel ihm so unsagbar schwer. Dabei
müsste er doch begierig darauf sein zu erfahren, was darin geschrieben stand. Andererseits befürchtete er, dass auch die noch folgenden Einträge ihn so schmerzen und mitleiden lassen würden wie der erste. Reemkes Beschreibungen hatten ihn tagelang nicht losgelassen.
Entschlossen schlug Jeels das Buch an der Stelle auf, wo das Bändchen die Seiten teilte. Er runzelte die Stirn. Dem Datum nach zu urteilen, hatte seine Mutter das Tagebuch lange nicht angerührt. Der neue Eintrag war mit dem 20. April 1827 überschrieben - ganze vier Jahre später! Dies waren jetzt die Aufzeichnungen einer siebzehnjährigen jungen Frau. Jeels atmete tief durch und begann zu lesen.
Immer wenn ich künftig etwas Unangenehmes oder Schweres werde tun oder erdulden müssen, dann will ich an die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen denken. Die Erinnerung daran wird mir Kraft geben, alles zu überstehen, stark zu sein. Deshalb ist es mir auch so wichtig, die Geschehnisse hier festzuhalten.
Mein Leben hat einen Teil seines Schreckens verloren, doch im Gegenzug musste ich das hergeben, was ich am meisten auf der Welt liebte.
Es blieb mir keine Wahl. Manchmal geht das Schicksal seltsame Wege, und wir müssen hinnehmen, was es für uns vorgesehen hat. Mir bleibt die Hoffnung, dass sowohl Mutter als auch ich nun unseren Frieden finden werden.
»Hier, mein Mädchen. Reib Willem das Knie damit ein.« Tedamöh drückte Reemke einen Tiegel mit Ringelblumensalbe in die Hand, die sie am Morgen mit Schmalz angerührt hatte.
Obwohl der Alte sie missmutig anstarrte, machte sich Reemke an die Arbeit. Der Fischer streckte sein Bein aus, und es knackte vernehmlich in den Gelenken. Er stöhnte leise auf.
»Nun muss ich mir diese Zaubersalbe auch noch von der
Teufelsgöre auftragen lassen. Da kann doch gar nichts Gutes bei rauskommen«, moserte er. Dabei tat er, als ob Reemke gar nicht da sei.
Tedamöh verpasste ihm unwirsch einen Klaps. »Red keinen Unsinn. Das ist keine Zaubersalbe, sondern nur ein Heilmittel. Und das Kind hat geschickte Hände, sonst ist nichts Besonderes an ihr.«
Der alte Willem schnaubte ungläubig. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er Reemke. »Sie ist ein Teufelskuckucksei, und du weißt das. Warum gibst du ihr Arbeit und lässt sie in deinem Haus aus und ein gehen? Wer weiß, ob dir das nicht nochmal leidtun wird!«
Reemke verspürte den Wunsch, ihre Finger tief in die Wunde des Fischers zu krallen, gab dem Gefühl aber nicht nach. Stattdessen sah sie ihn ernst an und sagte:
»Überlege dir gut, was du sagst, alter Mann. Du willst doch, dass deine Netze auch weiterhin gefüllt bleiben. Und das Vieh deines Sohnes - was wäre, wenn die Tiere keine Milch mehr gäben? Vielleicht solltest du noch einmal überdenken, wie du über mich sprichst.«
Der Alte zuckte zusammen, und für einen Moment glaubte Reemke, er werde aufspringen. Dann zog er den Kopf ein und erwiderte kleinlaut: »Hab’s nicht so gemeint. Ist ja nur, dass man sich halt fürchtet, wenn du einem hilfst.« Auf das letzte Wort legte er eine merkwürdige Betonung.
Tedamöh schüttelte den Kopf. »Dieses Mädchen schadet niemandem. Doch ihr Torfköppe wollt das ja nicht begreifen.« Sie wandte sich Reemke zu. »Und dass du diesen Aberglauben auch noch schüren musst!«
Diese biss die Zähne zusammen. Sie hatte mit der alten Frau häufig genug darüber gesprochen. Es blieb ihr nichts, als den Menschen, mit denen sie auf der Insel lebte, Angst einzujagen. Die Furcht, die sie vor ihr empfanden, war ihr Schutzschild.
Tedamöh beugte sich über das geschwollene Knie und drückte einmal kräftig zu. Der Fischer stöhnte vor Schmerzen auf. »Vorsicht, Weib. Ich bin ein alter Mann.«
Die Hebamme griff nach einem Tiegel und öffnete ihn. Misstrauisch tunkte Willem den Zeigefinger in die Masse und roch daran.
Tedamöh rollte die Augen. »Blüten und Fett, sonst nichts.« Manchmal war
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