Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
Kopf. »Ich will nur, dass die Wahrheit herausgefunden wird, sonst nichts.«
Der Vogt hatte sich mittlerweile wieder beruhigt. Mit vor der Brust verschränkten Armen fragte er Jeels: »Führen Sie hier jetzt das Kommando?«
Jeels sah den Mann mit einem leichten Lächeln an. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen ins Handwerk zu pfuschen. Aber dieser Bursche dort kann unmöglich etwas mit dem Brand zu tun gehabt haben.« Er wies auf Onno, dem immer noch die Knie zitterten und das Wasser auf der Stirn stand. »Das kann ich beschwören. Er war die ganze Zeit mit mir zusammen, hat
schon seit dem frühen Nachmittag für mich gearbeitet. Und bis wenige Minuten vor dem Brand waren wir zusammen im Festzelt.«
»Na, wenn das wahr ist, dann kann er es ja wohl tatsächlich nicht gewesen sein.« Mit ratlosem Gesicht schaute der Vogt in die Menge. Wiltert warf Jeels einen hasserfüllten Blick zu. Onnos Augen hingegen hingen voller Bewunderung an dem rothaarigen Mann, dem es auf wundersame Weise gelungen war, den Vogt zu überzeugen.
Jeels wandte sich zum Gehen. »Kommt, Freunde, mir reicht es!«
Krischan schob Onno vor sich her. »Bloß weg hier. Sonst finden die womöglich doch noch was, dass sie dir oder mir anhängen können. Menschenskind, wenn wir den Jeels nicht im Rücken hätten, was?«
»Aber der Fall ist doch noch gar nicht geklärt«, wetterte die Hofrätin. »Wer hat denn nun die Kate angezündet?«
Jeels wandte sich mit blitzenden Augen dem Vogt zu. »Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe!«
Nur zögernd löste sich die Runde auf. Dann strömten die Menschen lautstark diskutierend zum Zelt zurück. Sie fragten sich, ob man dem Rothaarigen wohl glauben könne und wer denn nun wirklich der Feuerteufel sei. Doch Antworten fanden sich keine.
18
J eelsfühlte sich wie betäubt nach dem anstrengenden Abend. Zuerst die Begegnung mit Wemke und dann die Anschuldigungen, gegen die er sich hatte zur Wehr setzen müssen. Nicht nur die gegen Onno, sondern letztendlich auch gegen ihn. Der alte Korbflechter hatte regelrecht Angst gehabt. Jeels stöhnte auf bei dem Gedanken daran. Angst vor ihm, der er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte!
Doch dann fiel ihm die Begegnung mit Wiltert am Strand ein. Er hätte diesen Kerl am liebsten erschlagen, und vielleicht wäre es auch so gekommen, hätte Wemkes Stimme ihn nicht zur Räson gebracht. So viel zu dem Gedanken, niemand bräuchte Angst vor ihm zu haben. Jeels setzte sich an den Sekretär und barg das Gesicht in den Händen.
In den letzten Tagen hatte er es vermieden, an das Tagebuch zu denken, genauso wie er den Gedanken an Wemke verdrängt hatte. Doch durch die Angriffe der Insulaner fühlte er sich seiner Mutter wieder sehr nahe. Der einzige Ausweg, den sie gesehen hatte, um die Menschen auf Abstand zu halten, hatte darin bestanden, deren Angst noch zu schüren. Was sollte er tun? Er hatte sich bemüht, freundlich mit ihnen umzugehen. Es gab ja auch Menschen hier, denen er sich verbunden fühlte. Aber die meisten begegneten ihm misstrauisch.
Jeels seufzte schwer. Er sehnte sich plötzlich nach dem alten Herrenhaus in Bremen und vor allen Dingen nach Hilde, der treuen Seele. Sie würde sich unbändig freuen, ihn wiederzusehen.
Vielleicht hatte sie Recht gehabt, und es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen.
Krischan war, nach dem langen Arbeitstag und dem turbulenten Abend, schnell in seiner Butze verschwunden, doch Jeels wusste, dass er selbst keinen Schlaf finden würde. Und so griff er zögerlich nach dem Tagebuch unter seinem Kissen und trug es zu dem kleinen Sekretär.
Er hatte nach dem Medaillon gesucht, das seine Mutter in ihren Aufzeichnungen beschrieb. Doch das Schmuckstück war unauffindbar. Sogar die Bretter, die den doppelten Boden der Holztruhe verbargen, hatte er angehoben. Doch dort fand sich nur der Staub von Jahrzehnten. Es hätte ihm viel bedeutet, den Schmuck in Händen zu halten, etwas Greifbares zu finden, das ihn der Mutter noch näherbrachte.
Jeels’ Gedanken wanderten zu der Zeit vor seiner Geburt. In seinem Inneren hatte er sich ein verschwommenes Bild von Reemke gemacht. Doch solche Vorstellungen entsprachen ja häufig nicht der Wirklichkeit. Wie mochte sie tatsächlich ausgesehen haben? Gab es außer dem roten Haar noch Ähnlichkeiten zwischen ihnen?
Jeels nahm die Lampe und trat zum Spiegel über dem Waschtisch in der Ecke. Im Licht wirkten seine Augen übergroß. Er stand lange dort und sah sich an, versuchte vor seinem geistigen Auge das
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