Das Geheimnis der italienischen Braut
entschuldigt, als sie blass und aufgelöst nach Hause gekommen war. Und es kam der Wahrheit sogar ziemlich nahe, denn sie hatte wirklich Kopfschmerzen.
Ihre Mutter warf ihr prompt vor, sie würde sich gehen lassen, aber glücklicherweise hatte sie das Thema nicht weiterverfolgt. Sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich um ihre zweitälteste Tochter zu kümmern. Und das war auch nichts Neues.
An diesem Abend war Jackie nicht nach einem geselligen Beisammensein zumute. In ihrer momentanen Verfassung konnte sie ihre Mutter und Scarlett nicht ertragen. Sie würde erst wieder hervorkommen, wenn sie sich beruhigt und wieder unter Kontrolle hatte.
Nachdem die Gefahr, gestört zu werden, gebannt war, stand sie auf und sah sich in ihrem früheren Raum um. Sie konnte sich noch an die Poster an den Wänden und die vielen Stapel Bücher auf dem Fußboden erinnern.
Davon war jedoch nichts geblieben. Ihre Mutter hielt nichts davon, aus den Zimmern ihrer erwachsenen Töchter so etwas wie einen Schrein oder ein Museum zu machen. So hatte sie Jackies Zimmer in ein elegantes und ganz in einem dunklen Lavendel und einem Taubengrau gehaltenen Gästezimmer verwandelt.
Plötzlich musste Jackie über sich selbst lächeln. Sie hatte das traumatische Erlebnis noch längst nicht verkraftet und trotzdem nichts Besseres zu tun, als über diese Umgestaltung nachzudenken.
Es war ja auch viel leichter, sich von solchen alltäglichen Dingen ablenken zu lassen, statt sich mit dem auseinanderzusetzen, was sie heute erfahren hatte.
Bei dem Gedanken fing es in ihrem Kopf wieder an zu hämmern und zu dröhnen. Alles, woran sie in den vergangenen siebzehn Jahren geglaubt und worauf sie ihr Leben aufgebaut hatte, war eine Lüge.
Rastlos lief sie hin und her. Sie kam einfach nicht darüber hinweg. Wer war sie eigentlich, wenn nicht Jacqueline Patterson, eine Frau mit einer schwierigen Vergangenheit, die Verrat und andere Schicksalsschläge erlebt hatte? Vielleicht war sie gar nicht die Frau, die Berge versetzen konnte, und die Frau, die als Chefredakteurin des bekannten Magazins Gloss! Karriere gemacht hatte. Und wenn sie diese Person nicht war, blieb nichts übrig von ihr, denn die Arbeit war ihr Lebensinhalt.
Romano wusste nicht, dass er eine Tochter hatte. Er hatte es nie erfahren. Hätte es denn überhaupt etwas geändert, wenn er es gewusst hätte? überlegte sie und schloss die Augen. Sie waren beide noch sehr jung gewesen, außerdem hatten sie sich heftig gestritten. Sie versuchte, sich sie beide als glückliches junges Paar mit einem Baby vorzustellen. Doch so weit wäre es sicher nie gekommen. Wahrscheinlich wäre sie früher oder später eine gestresste alleinerziehende Mutter geworden, die völlig erschöpft und schrecklich gelangweilt war, während ihre Freundinnen sich verabredeten, auf ausgelassene Partys gingen und unbekümmert das Leben genossen.
Ja, das kam der Wirklichkeit sehr nahe. Sie stellte sich ans Fenster und ließ den Blick über die in der Abendsonne glühenden Hügel im Westen gleiten. Die Sonne schien genau in dem See mit dem kristallklaren Wasser jenseits der Hügel unterzugehen, wo Romano sich vermutlich jetzt auf der Insel aufhielt.
All die Jahre hatte sie ihn gehasst – ohne Grund, wie sie nun wusste. Was für eine Energieverschwendung! Hatte sie eigentlich nichts Besseres zu tun gehabt?
Langsam kam sie wieder zu sich. Ich muss mich beherrschen, ich bin ja nicht mehr die zutiefst erschrockene Fünfzehnjährige von damals, sondern eine erfolgreiche Karrierefrau, die mit jeder Situation zurechtkommt, mahnte sie sich.
Romano war nicht der verantwortungslose und oberflächliche junge Mann, den sie jahrelang in ihm hatte sehen wollen. Sie musste ihm die Chance geben, sein wahres Ich zu zeigen. Immerhin hatte er eine Tochter, die unbedingt herausfinden wollte, wer sie war und woher sie kam, und die ihre Familie kennenlernen wollte.
Schließlich setzte sich Jackie wieder auf die Bettkante. Sie musste ihren Plan ändern. Romano musste als Erster von Kates Existenz erfahren, ehe sie mit ihrer Familie sprach. Er musste wissen, dass er der Vater einer Tochter war.
Die Sonne schien warm durch die hohen Fenster seines Arbeitszimmers, und das gleißende Licht schien sich immer wieder zu verstecken, wenn sich winzige Wolken vor die helle Scheibe schoben. Das ist einer der Nachteile, die es mit sich bringt, wenn ich zu Hause arbeite, ich werde immer wieder abgelenkt, dachte Romano. Er hatte die Einladung
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