Das Geheimnis der italienischen Braut
sah sie ihre Schwester und ihre Cousine an.
„Wollt ihr mir nicht endlich verraten, was das alles soll? Ihr plant doch hoffentlich nichts Illegales für Lizzies Party, oder?“
Scarlett warf ihrer Schwester wegen ihrer Begriffsstutzigkeit einen verächtlichen Blick zu. „Kannst du dir nicht denken, wie Lizzie reagieren würde, wenn wir eine ausschweifende Party oder dergleichen für sie planten? Das könnte doch ihrem Ansehen schaden.“ Sie stand auf und gestikulierte mit der Hand. „Die Lichtung war unser geheimer Treffpunkt, hier haben Isabella und ich uns früher unsere Geheimnisse anvertraut.“
„Ich erinnere mich, dass ihr beide euch sehr nahegestanden habt. Schade, dass ihr euch entzweit hattet. Ich dachte …“
„Jackie, würdest du mir bitte zuhören?“ In Scarletts Stimme schwang so etwas wie Verzweiflung. „Es ist sowieso schon schwierig genug.“ Sie sah Isabella Hilfe suchend an.
„Ich finde auch, es ist nicht leicht, die richtigen Worte zu finden“, pflichtete Isabella ihr bei und fing an, hin- und herzulaufen.
„Wir kennen dein Geheimnis“, platzte Scarlett schließlich heraus.
Jackie war verblüfft. Ihr Geheimnis? Wahrscheinlich meinte sie ihre frühere Magersucht. Sie kniff die Augen zusammen. „Welches denn?“
Über ihnen in den Bäumen rauschten die Blätter im Wind, und als Isabella antwortete, war es kaum mehr als ein Flüstern. „Das Baby.“
Es traf Jackie wie ein Schlag. „Ihr wisst, dass ich …?“
Die Mienen der beiden sagten alles. Doch was wussten sie wirklich? Jackie stand auf. „Wisst ihr, dass ich schwanger war, als ich nach London zu meinem Vater geflogen bin?“
Sie nickten.
„Wisst ihr auch, dass ich mein Kind zur Adoption freigegeben habe?“
„Es hat uns niemand erzählt, aber das war uns klar, als du allein zurückgekommen bist“, erwiderte Isabella.
Du liebe Zeit, sie kannten offenbar alle Zusammenhänge. Jackie setzte sich wieder hin, erwischte jedoch die falsche Kiste, die prompt in sich zusammenkrachte, sodass sie sich auf Händen und Knien im Schmutz wiederfand. Hastig halfen Isabella und Scarlett ihr auf die Beine.
Gut, es ist sinnlos, irgendetwas zu leugnen, überlegte sie. „Meine Tochter Kate hat vor einigen Monaten Kontakt mit mir aufgenommen, und wir haben uns mehrmals getroffen.“
„Kate?“ Scarletts Stimme war kaum zu hören. Ungläubig und verblüfft musste Jackie mit ansehen, wie ihre sonst so streitsüchtige und starrköpfige Schwester anfing zu schluchzen. „Du hattest ein kleines Mädchen, ein kleines Mädchen“, wiederholte sie immer wieder leise.
Bestürzt über die Reaktion, kam Jackie zu dem Schluss, dass ihre Schwester sie doch nicht so sehr verachtete und auch nicht so gleichgültig und gefühllos war, wie sie geglaubt hatte.
„Es tut mir so leid“, stieß Scarlett schließlich unter Tränen hervor.
Jackie blickte Isabella fragend an und hoffte, von ihr eine Erklärung zu bekommen. Doch auch ihre Cousine war dazu nicht imstande.
„Erwähnt Kate den anderen gegenüber bitte nicht“, forderte Jackie die beiden auf. „Es soll noch niemand wissen.“ Wenn alle die Neuigkeit so aufnahmen, war es wirklich richtig, dass sie sich entschlossen hatte, erst nach der Hochzeit darüber zu reden. Sie atmete tief durch. „Es wird alles gut, verlasst euch darauf. Kate und ich lernen uns immer besser kennen. Ihr braucht also nicht traurig zu sein.“
Sie hatte gehofft, die beiden würden sich beruhigen. Aber sie hatte wohl das Falsche gesagt, denn jetzt weinten beide. Wie vor den Kopf geschlagen stand Jackie da, während Isabella und Scarlett sich offenbar selbst leidtaten.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Woher wisst ihr es überhaupt? Hat mamma es auch verraten?“
Beide schüttelten den Kopf.
„Woher denn sonst?“
Sekundenlang blickte Scarlett sie schuldbewusst an, ehe sie sich wieder abwandte. „Der Brief“, sagte sie leise.
Jetzt dämmerte es Jackie. Sie stellte sich vor ihre Schwester, stemmte die Hände in die Hüften und fragte: „Hast du ihn etwa gelesen?“
Scarlett biss sich auf die Lippe und nickte.
„Wie konntest du es wagen!“ Unbändiger Zorn tobte in ihr, und sie ging an das andere Ende der Lichtung. Am Fluss blieb sie stehen und blickte in den kühlen, stillen grünen Laubwald.
Auf einmal setzte sich ein Gedanke in ihr fest, und sie drehte sich zu den beiden um, die sie schweigend beobachteten.
„Dann wisst ihr auch, wer …?“ Sie verstummte.
„Ja. Romano“, antwortete
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