Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
Handtücher und trockene Kleidung brachten.
»Meine armen Freundinnen«, begrüßte sie sie bedauernd. »Was habe ich Ihnen zugemutet? Kommen Sie schnell und ziehen Sie sich um.«
Das Geheimnis der Königin Phuong
Tam und Nina waren endlich in Sicherheit.
In einem halbdunklen Raum mit Blick auf die Gärten wärmten sich die beiden Mädchen vor einem Kohlebecken aus Bronze. Der Pavillon am Lotusteich ähnelte einer Halle ohne Mauern, die nur durch einige bewegliche Wände von der umgebenden Natur getrennt war. Der Regen hatte aufgehört, und hier und da drang die Sonne durch die grauen Wolken. Schwere Düfte stiegen von der Erde auf, Schwärme von Schmetterlingen tanzten in den Lichtstrahlen. Auf dem Teich glänzten die Lotusblüten perlrosa. Dieselben Lotusblüten waren überall im Innern des Pavillons auf große Vorhänge gestickt, die die Räume voneinander trennten und vom Wind leicht bewegt wurden.
Zwischen zwei Stoffbahnen erblickte Nina einen Altar, der dem Ahnenaltar vor Tams Haus ähnelte. Es waren Räucherstäbchen, Früchte als Opfergaben und ein kleines Gemälde zu sehen, das eine Frau in einer langen weißen Tunika darstellte.
»Ist das die Göttin Kwan Yin?«, fragte sie und zeigte auf den Altar. Die Königin Phuong machte sich neben dem Kohlefeuer zu schaffen. Mit den langsamen Bewegungen einer Tänzerin bereitete sie selbst den Tee auf einem kleinen Tisch zu. Das Porzellan der Teekanne und der winzig kleinen Tassen war so zart, dass man meinte, hindurchsehen zu können. Daneben lagen auf dazu passenden Tellern Kuchenstücke und Sesamnougat. Als das heiße Wasser über die Blätter des grünen Tees lief, klang es wie das melodiöse Plätschern eine Quelle.
»Ja«, antwortete die Königin. »Sie ist überall um mich herum. Sie beschützt mich.«
Tam und Nina waren in
ao dái
aus weißer Seide gekleidet, die ihnen die Dienerinnen gebracht hatten, saßen auf niedrigen Schemeln und kämmten sich ihre trocknenden Haare.
»Ich schaffe es nicht allein«, klagte Tam. »Normalerweise entwirrt meine Mutter meine störrischen Strähnen.«
»Warte, ich helfe dir«, bot Nina ihr an und nahm ihr den Kamm aus der Hand. Dunkel und glänzend wie Kohle fiel Tams Haarpracht den Rücken hinunter bis zu den Hüften. Es war ein Vergnügen, sie zu kämmen.
»Was hast du für ein Glück«, bemerkte Nina. »Ich mit meinen Locken dagegen. Sie sind ein Albtraum!«
»Darf ich es einmal versuchen? Es muss Spaß machen, in einer solchen Mähne zu wühlen.«
»Kommt gar nicht infrage. Seit dem Tod meiner Mutter bin ich die Einzige, die sie anrührt. Das einzige Mal, als meine Tante die Bürste nahm, hat sie mir die Hälfte meiner Haare vom Kopf gerissen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich geflucht habe!«
»Ich hätte für mein Leben gern rote und gelockte Haare«, murmelte Tam verträumt. »So wie in den Katalogen aus Frankreich.«
»Na ja, ich träume davon, mir die Haare abzuschneiden.«
»Du bist dumm! Ein Mädchen mit kurzen Haaren, das gibt es nicht.«
»Umso besser, dann werde ich eben die Erste sein.«
»Seht einmal an«, mischte sich die Königin ein und goss den Tee in die Tassen. »Da sitzen zwei hübsche junge Damen beieinander und unterhalten sich, als wären sie fünfzehn Jahre alt.«
Eine bedrückte Stille trat ein.
Zum Glück war die Königin noch immer so sehr mit der Zubereitung des Tees beschäftigt, als dass sie bemerkt hätte, welche Wirkung ihre Bemerkung auf die beiden hatte. Sie nutzte die plötzliche Stille, das Wort zu ergreifen.
»Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Aufforderung gefolgt sind, Nina. Und dir auch, Tam. Paul d›Armand hat mir von dir erzählt. Von deiner Begabung und deinen guten Leistungen in der Schule.« Sie stellte die Teekanne ab und reichte den Mädchen ihre Tassen.
»Ich habe Sie gebeten, mich hier zu besuchen, weil ich im Palast überwacht werde. Die Mandarine haben überall in Hué ihre Männer. Von den Franzosen ganz zu schweigen.«
Das Gesicht der Königin war nun so ernst, dass Nina spürte, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte. Die Königin Phuong ergriff ihre Hände.
»Meine liebe Antoinette«, begann sie. »Kann ich Ihnen vertrauen?« Nina wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie ahnte, dass von ihr erwartet wurde, wie eine Erwachsene zu handeln, und sie war nicht sicher, ob sie dazu in der Lage wäre. Zum ersten Mal hatte sie den Gedanken, ihre Täuschungsmanöver könnten sie in eine Situation bringen, der sie nicht gewachsen wäre. Auch Tam, die
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