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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
Autoren: Boris Akunin
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Matasse lag.«
    Masa zeigte auf den Platz, den eben noch der wunderbare Alte eingenommen hatte. Die Matratze war leer.
    »Ach, Masa, du kommst ganz ungelegen«, murmelte der Beamte, aber der Diener riss ihn rücksichtslos hoch, stellte ihn auf die Beine und zerrte ihn zum Ausgang.
    Masa wechselte in seine Muttersprache. Übrigens: Selbst wenn jemand der hier Sitzenden Japanisch verstanden hätte, wäre er aus der verworrenen Erzählung doch nicht schlau geworden.
    »Als Sie den Verstand einbüßten, Herr, mit den Lippen mümmelten und auf Ihrem Gesicht das dümmliche Lächeln erschien, das immer noch da ist und, wie ich fürchte, nun für immer bleiben wird, ist er aufgestanden, hat sich in den Durchgang gestellt, neben Ihrer Matratze, und hat die Pfeife fallen lassen. Er hat sich gebückt, um sie aufzuheben, und dabei die Kette gegriffen. Umbringen wollte er Sie nicht, ich habe aufgepasst. Er kann noch nicht weit sein! Wir holen ihn ein!«
    »Wer ist
er?
« Fandorin lächelte strahlend. Er fühlte sich angenehmbesänftigt und hatte nicht die geringste Lust, irgendwem hinterherzujagen.
    »Der alte Chinese, der Ihnen gegenübersaß, wer denn sonst! Sie sind total beduselt von diesem gemeinen Kraut! Wahrscheinlich ist das der Verbrecher, der den Pfeil auf Sie abgeschossen hat und dann über die Mauer gesprungen ist!«
    Fandorin machte ein tiefsinniges Gesicht, um zu zeigen, dass er bei klarem Verstand war.
    »Wie sieht er aus?«
    Masa dachte kurz nach, zuckte die Achseln und sagte: »Eben ein Chinese.«
    Dann fügte er hinzu: »Alt. Uralt.«
    »Und ich dachte, er wäre jung«, teilte Fandorin mit und bekam einen Lachanfall – so komisch fand er, dass der Chinese, der mühelos die hohe Mauer bezwungen hatte, uralt sein sollte: ein Sprung, und hopp, schon war er auf der anderen Seite. Das war kein Opa, sondern ein Springinsfeld.
    Der Diener drehte sich kurz um und verpasste dem Hofrat zwei schallende Ohrfeigen, worauf dieser zu lachen aufhörte und einschnappen wollte, aber dazu war er zu faul.
    Sie waren inzwischen draußen. Es war dunkel und windig, das Straßenpflaster glänzte regennass, gegen das Gesicht prasselten Tropfen. Durch die Frische und Feuchtigkeit kam Fandorin teilweise zu sich.
    »Da ist er!«, sagte Masa und zeigte nach vorn.
    In dreißig Schritt Entfernung trippelte hastig ein gebeugtes Männlein. Es hielt die Ellbogen dicht am Körper, als sei ihm kalt oder als presse es etwas an die Brust. Seine Schritte waren nicht zu hören.
    »Ihm nach, a-aber vorsichtig«, sagte Fandorin. Sein Kopf funktionierte jetzt besser, doch die Zunge war schwer, und die Knie gehorchten ihm nicht recht. »Mal sehen, wohin er geht.«
    Der Alte bog nach links, noch einmal nach links und kam auf den Sucharew-Platz, wo Laternen brannten und wo immer noch gehandelt wurde, woraus Fandorin, der jedes Zeitgefühl verloren hatte, schloss, dass es nicht sehr spät war.
    Der Dieb schlängelte sich am Rand des Platzes entlang und tauchte wieder in ein enges Sträßchen ein. Die Verfolger beschleunigten den Schritt.
    »Euer Hochwohlgeboren, Sie?«, vernahm der Beamte eine volltönende Stimme, die ihm bekannt vorkam.
    Er drehte sich um, verlor bei dieser nicht gerade komplizierten Bewegung beinahe das Gleichgewicht und erblickte den Reviervorsteher Nebaba, der einen zerlumpten Mann mit verbundener Backe am Ohr festhielt. Nachdem sich Nebaba vergewissert hatte, dass er wirklich den Hofrat vor sich hatte, wies er mit dem Kopf auf den Festgenommenen.
    »Ein Taschendieb. Auf frischer Tat erwischt.«
    »Makar Nilowitsch, lass mich laufen«, ningelte der Dieb. »Verpass mir lieber eine Abreibung, aber schick mich nicht ins Kalte.«
    Das trifft sich gut, dachte Fandorin. Der Chinese ist flink und wendig, Masa wird schwerlich allein mit ihm fertig, und auf mich ist in meinem jetzigen Zustand wenig zu hoffen. Da Nebaba nach so vielen Dienstjahren in Sucharewka immer noch lebt, ist er mit allen Wassern gewaschen und kann für sich einstehen. Außerdem kennt er die Gässchen hier besser als jeder Chinese. Den schickt mir der Himmel.
    »Den Mann laufen lassen«, befahl Fandorin knapp. »Mir nach. Aber leiser mit den Stiefeln.«
    Im Gehen erklärte er dem Polizisten kurz, worum es ging.
    Der Alte trippelte durch das Sträßchen, bog in die Andrianowski-Gasse ab und verschwand plötzlich in einem engen Durchgang.
    »Das war’s, Euer Hochwohlgeboren!«, hauchte Nebaba dem Beamten ins Ohr. »Wir müssen ihn festnehmen. Dort vorn gehen drei Torwege ab,
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