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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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endlich.
    »Deshalb kehren wir ja um. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass das Unglück immer erst geschieht,
nachdem
wir das jeweilige Dorf verlassen haben? Ich habe mich zweimal übertölpeln lassen. Ein drittes Mal – nicht mit mir. Wie wendet man Ihren Bucephalus?«
    Er zog rechts am Zügel – da schüttelte das Pferd nur unwillig den Kopf. Er zog links – da gehorchte es.
    »Aha, es ist Verfechter des L-Linksverkehrs«, sagte Fandorin fröhlich. »In Britannien würde es ihm gutgehen.«
    »Verdammt, wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen! Wir müssen nachsehen! Diese Großväter haben mir gleich nicht gefallen.«
    Odinzow nahm dem Stadtmenschen die Zügel aus der Hand, schlug mit der Peitsche zu, und zurück ging es mit verdoppeltem Tempo.
    Noch war keine halbe Stunde verstrichen, da tauchte aus dem Dunkel der sanft ansteigende Hügel mit der spitzen Silhouette des Kirchleins und den ebenerdigen Katen.
    Die Abreise von Bogomilowo war geräuschvoll vonstatten gegangen, die Rückkehr geschah in aller Stille.
    Die Männer banden das Pferd an einen Strauch unweit des Ufers und schlichen zu Fuß zum Hügel.
    »Wo verstecken wir uns?« fragte der Wachtmeister flüsternd und gab selber die Antwort: »Im Bücherhaus, wo sonst? Es wird noch nicht ausgekühlt sein.«
    Gesagt, getan.
    Ohne mit den Stufen zu knarren oder mit der Tür zu klappen, traten sie in die Stube, machten aber kein Licht. Masa setzte sich ans Fenster auf der einen Seite, der Polizist auf der anderen, Fandorin an der dritten (das vierte Fenster blickte zum Fluss, dort brauchte nicht aufgepasst zu werden).
    »Gebe Gott, dass ich mich geirrt habe«, sagte Fandorin seufzend. »Wenn sie kommen, um sich einzugraben, halten wir sie zurück. Na, und wenn es still bleibt, holen wir die Unseren ein.«
    Still blieb es, sogar zu still. Der Schlaf alter Männer ist ja nicht so fest, aber es wurde sieben, dann acht Uhr morgens, und in keinem der vier Wohnhäuser wurde Licht gemacht. Freilich war es noch dunkel. Wann sollten sich die Schreibkünstler ein spätes Aufstehen gönnen, wenn nicht im Winter?
    Fandorin wurde vorübergehend von seinen besorgten Gedanken abgelenkt, denn es zeigte sich, dass er bei der Wahl des Fensters Glück gehabt hatte – es blickte nach Osten.
    Der Himmel zeigte in dieser Richtung ein unglaubliches Talent für eine Farbgebung in der Manier alter venezianischer Meister:Aus Schwarz wurde Dunkelblau, aus Dunkelblau Hellblau, aus Hellblau Bordeauxrot. Dann folgten Himbeerrosa, Purpurrot, Orangegelb, und endlich kam über den spitzen Tannenwipfeln die Sonne hervor, anzuschauen wie ein Apfel, den ein Igel auf seine Stacheln gespießt hat.
    »Die Alten haben wohl verschlafen«, sagte der Polizist Odinzow und riss Fandorin aus seiner lyrischen Stimmung. »Erst prahlen sie, dass sie mit dem ersten Licht am Tisch sitzen und Blätter vollschreiben, und dann grunzen sie ewig.«
    Fandorin fuhr zusammen und prallte vom Fenster zurück. Er nahm den Pelz von der Bank und lief hinaus.
    Masa und Odinzow stürzten ihm hinterher und schrien: »Was? Was?«
    »Nan da? Nan des ka?«
    Aber Fandorin war schon bei der ersten Kate. Er klopfte laut. Ohne eine Antwort abzuwarten, stieß er die Tür auf.
    Sie öffnete sich, hierzulande wurde nicht abgeschlossen, vor wem auch.
    Das Haus bestand aus einem einzigen, fast kahlen Raum, der einer Mönchszelle glich. In der Mitte ein Tisch. Darauf ein Kerzenstummel und ein Blatt Papier.
    Ohne es berührt zu haben, wusste Fandorin, was daraufstand.
    Und richtig.
    »Eure neue Verordnung nebst Stammregister entfremden uns vom wahren christlichen Glauben und wollen uns führen zur Verleugnung des Vaterlands, unser Vaterland aber ist Christus …«
    Der Text war der gleiche, nur die Schrift war anders, mit Schnörkeln und Verzierungen. Die Tinte frisch. Da stand auch ein Tintenfass mit eingetunkter Feder.
    Zähneknirschend gab Fandorin das Blatt dem Wachtmeister und rannte zum nächsten Haus.
    Das gleiche Bild: Kerze, Tintenfass, Abschiedsbrief.
    Ebenso im dritten Haus.
    Und im vierten.
    Nur die äußere Form des Schreibens war jedes Mal anders – die Kalligraphen hatten wohl ein letztes Mal ihr Können zeigen wollen.
    Die Buchmänner selbst waren nirgends zu finden.
    »Sie sind ins Dorf gegangen, sich von den Angehörigen verabschieden«, äußerte Odinzow, keuchend vom schnellen Lauf. »Die Männer sind alt, gehen langsam. Wir holen sie ein! Wenn nicht, ziehen wir sie unter der Erde hervor!«
    Er griff in der Diele nach

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