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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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eingruben, hinterließen sie nicht einen Brief, sondern zwei! Den ersten für die Welt, aus der sie gingen, und einen zweiten, der nicht für fremde Augen bestimmt war und ins Grab mitgenommen wurde!
    Ach, hätte er das von Anfang an gewusst!
    Doch was half das Hadern? Besser spät als nie!
    »Gehen wir, wir lesen ihn bei L-Licht!«
     
    Der Grüne See
     
    Als der Wachtmeister aus dem
großen
Bogomilowo zurückkehrte, das heißt, aus dem Dorf, folgte ihm eine Menge Menschen, die sich von ihren Alten verabschieden wollten. Unter ihnen waren auch Frauen und Kinder, doch niemand weinte. Vielleicht aus Erschütterung. Oder sie wollten ihre Gefühle vor dem Polizisten nicht zeigen. Die Buchmänner waren ein besonderes Völkchen, mit sonst niemandem vergleichbar.
    »Fahren wir, Erast Petrowitsch. Mögen sie in Ruhe weinen«, sagte Odinzow eilig. Er schien sich der Kokarde an der Mütze und der Adlerknöpfe zu schämen.
    Er hatte recht, sie mussten schleunigst weiter.
    Schnee war nicht mehr gefallen, darum war die gestern von ihrer Expedition gefahrene Schlittenspur gut zu erkennen und ermöglichte schnelle Fahrt. Am frühen Nachmittag wurde die von der Sonne erwärmte Kruste hart, da stiegen Fandorin und Masa abwechselnd aus dem Schlitten und trabten eine oder anderthalb Stunden nebenher. Auch Odinzow versuchte es, aber da er es nicht gewohnt war, kam er schon nach einer Werst außer Atem.
    Gerastet wurde nur einmal, und nur kurz, um das Pferd zu füttern. Sie mussten um jeden Preis den Grünen See vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.
    Und sie schafften es – buchstäblich mit dem letzten Schein des erlöschenden Tages.
    Im Sommer mochte der See ja »grün« sein, doch jetzt, eine Woche nach dem Dreikönigsfest, war kein grünes Fleckchen zu erkennen. Da war eine weite weiße Ebene, am Rand standen kahle schwarze Bäume, aber kein einziger Nadelbaum.
    Die Schlittenspur führte zu einem höhergelegenen Holzhäuschen, das von der untergehenden Sonne beschienen wurde.
    »Das haben Jäger gebaut«, erklärte Odinzow. »Von hier gibt esim Winter vier Wege: links am Ufer entlang nach Salaskino, rechts am Ufer entlang nach Latynino, geradeaus über den See nach Bachroma und schräg rüber nach Bestschegda. Überall leben Altgläubige ohne Popen, sie ernähren sich vom Fischfang. Zu wem von ihnen die Unseren zuerst gefahren sind, kann ich nicht wissen.«
    »Wenn sie gefahren sind, dann jedenfalls nicht a-alle.«
    Fandorin hatte die Augen mit der Hand beschirmt und neben dem Haus einen Schlitten entdeckt – geschlossen, quadratisch, den von Jewpatjew wohl.
    Als sie näher kamen, hörten sie gemessene Schläge und sahen den Kutscher Holz hacken.
    Dann erschien auf der Vortreppe ein hochgewachsener Mann mit auf der Brust offenem Hemd – Nikifor Jewpatjew.
    Als der die Ankömmlinge erkannte, verfinsterte sich sein Gesicht.
    »Hei, ist der wütend«, murmelte Odinzow. »Wird uns wohl nicht über die Schwelle lassen.«
     
    Über die Schwelle ließ er sie, verlangte aber sogleich eine Erklärung. Aus Fandorins Zettel hatte er lediglich ohne Begründung erfahren, dass die Reisenden im letzten Schlitten beschlossen hätten, nach Bogomilowo zurückzukehren.
    Als sie ihm jedoch von dem Unglück erzählten, legte sich sein Zorn. Über die verstorbenen Buchmänner sagte er ohne Sentimentalität kurz und bitter: »Schlimm ist das, schlimmer geht’s nicht. Sie besaßen große Autorität. An ihnen werden sich viele ein Beispiel nehmen. Ach, Lawrenti, Lawrenti. Den Schlag hat er gut berechnet …«
    Dann sprach er über die anderen Teilnehmer der Expedition. Als sie ankamen und vier Wege vor sich sahen, hatten sie sich getrennt.
    Aloisi Kochanowski war in das größte Dorf gefahren, nach Bachroma.
    Sein Gehilfe Kryshow hatte sich nach Bestschegda begeben.
    Der Dechant und der Diakon hatten sich erboten, auf Skiern nach Latynino zu laufen.
    Der Psychiater war zu Fuß ins nahe Salaskino gegangen; dorthin führte ein gut ausgetretener Weg.
    »Und ich bin hiergeblieben«, schloss Jewpatjew seinen kurzen Bericht. »Ich erwarte, dass die vier Starostas sich herbemühen. Wir werden gemeinsam beschließen, wie wir die Menschen vor dem Unheil bewahren.«
    »Sehr vernünftig«, sagte der Wachtmeister. »Weitab von ihren Dörflern werden sie nachgiebiger sein.«
    »Und wo sind die D-Damen?«, fragte Fandorin.
    Jewpatjew, über das Wort »Damen« lachend, antwortete:
    »Sie haben sich von uns verabschiedet. Kirilla hat ihre eigene Route. Sie ist durch

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