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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
Autoren: Boris Akunin
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aufzwang, kein einziges Mal versucht, uns von der falschen Version abzubringen? Nach dem Vorfall muss er doch begriffen haben, dass der Gottesnarr kein Hypnotiseur ist, sondern ein Hypnotisierter und somit wenig geeignet für die Rolle des Aufwieglers.«
    »Richtig, richtig!« Jewpatjew schlug mit der Faust auf den Tisch. »Er hat auch mir von Anfang an nicht gefallen. ›Ich hab’s vorausgesagt! Man hat mich verlacht! Mein Vortrag in Petersburg wird einEreignis!‹ Doch was hat er für einen Blick? Er bohrt sich einem direkt in die Seele!«
    Der Wachtmeister nahm seine Schapka.
    »Meine Herren, wir verlieren Zeit! Wohin ist er? Nach Salaskino! Das sind nur fünf Werst. Wir müssen den Judas jetzt gleich festnehmen!«
    »Oder der D-Dechant«, fuhr Fandorin nachdenklich fort, ohne Odinzow zu beachten. »Wenn wir nach dem Prinzip vorgehen: ›Wem nützt es?‹, dann hat Vater Vikenti größtes Interesse an der Ausbreitung der Epidemie. Gegenwärtig fristet er ein klägliches Dasein. Hirt ohne Herde, kleiner Erpresser, das meist verachtete S-Subjekt im ganzen Kreis. Er muss das Altgläubigentum und die Altgläubigen grimmig hassen. Was unternimmt er grade für eine sonderbare Rundfahrt? Wirklich nur wegen der Abgaben? Sie haben bemerkt, dass er in jedem Dorf von Haus zu Haus geht –
zum belehrenden Gespräch
? Oder um die ›Vision‹ herumzuzeigen und mit ihr abergläubige Menschen zu ängstigen? Wenn die Kunde von den Selbstmorden in Stershenez sich in Russland verbreitet, werden die Behörden mit Sicherheit schärfste Maßnahmen ergreifen, um den Alten Glauben in dieser Gegend auszurotten. Dann hat Vater Vikenti freie Hand!«
    »Jawohl! Dieser Pope ist unser erster Feind«, bekräftigte Jewpatjew hitzig. »Was fürchtet er mehr als alles andere? Dass bei uns Altgläubigen das vernünftige, organisierte Prinzip die Oberhand gewinnt. Dass sich das Volk von der Popenlosigkeit zu einem zivilisierten Altglauben hinwendet, mit eigenen Geistlichen und Bischöfen. Dann ist Schluss mit ihm, dem Blutsauger. Nein, Kryshow und Scheschulin sind aufgeklärte Leute, doch bei dem Popen ist das Jesuitentum zu spüren!«
    »Dazu noch dieser Diakon«, warf der Wachtmeister ein. »Wie Kletten hängen die beiden zusammen, und Warnawa wieselt und schnüffelt überall herum. Hat immer die Nase vorn, lässt dieAugen flitzen. Wenn der Pope irgendwas im Schilde führt, hilft ihm der Diakon. Ich weiß, was zu tun ist! Man hat es mir beigebracht. Beide festnehmen und einzeln verhören. Wenn sie dann Ausflüchte machen, uns was vorlügen wollen, sind sie dran.«
    Jewpatjew sagte sorgenvoll: »Sie sind nach Latynino gegangen. Ich habe ihnen meinen Schlitten angeboten, mit Kutscher, sie wollten nicht. Wir laufen auf Skiern, haben sie gesagt. Der Dechant hat doch sonst nicht gern seinen Wanst bewegt.«
    »Die Dörfler von Latynino werden bei uns als Weißköpfe verspottet!«, entsann sich der Wachtmeister. »Sie haben auch wirklich alle weißblonde Haare. Sie sind die weißen Lämmer! Ihretwegen sind die Popen hin! Fahren wir, ihr Herren, schnell!«
    »Mitja!«, rief der Industrielle laut dem Kutscher zu, nachdem er die Tür etwas geöffnet hatte. »Spann an! Aber flink!«
    »Apropos Mitja«, sagte Fandorin noch immer in demselben Ton. Der Industrielle erstarrte. »Ihr Kutscher – ist der nicht auch ein Kandidat? Während der ganzen Fahrt habe ich von ihm kein einziges Wort gehört. Er ist unauffällig, sieht einen nie an, gibt sich sichtlich Mühe, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn wir in ein Dorf kommen, verschwindet er jedes Mal irgendwohin. Dann ist er ebenso plötzlich wieder da. Was ist er für ein M-Mensch? Ist er fromm? Liest er gern alte Bücher?«
    »So wie die meisten Altgläubigen«, murmelte Jewpatjew zerstreut, schloss die Tür und ließ sich auf die Bank sinken. »Mein Gott, sollen denn alle verdächtig sein?«
    Die weitere Deduktion lief von selbst, ohne Teilnahme des verstummten Fandorin, der wieder das Papier zur Hand genommen hatte.
    »Den Chefstatistiker haben wir vergessen!«, fiel plötzlich dem Wachtmeister ein. »Das sollten wir nicht!«
    »Kochanowski? Lass das sein!« Jewpatjew lachte. »Da hast du ja einen Übeltäter gefunden! Was hast du an dem auszusetzen?«
    »Ein Jud ist er! Die haben Christus gekreuzigt und sind böse auf die Christen!«
    »Wer ist ein Jud? Kochanowski? Wie kommst du darauf? Du hast doch noch nie einen lebendigen Juden gesehen!«
    »Ich vielleicht nicht, aber der Herr Rittmeister hat uns eine
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