Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Instruktion gegeben. Die Juden haben schwarze Haare, eine krumme Nase und immer mit einer Brille darauf. Genauso sieht Kochanowski aus. Auch der Vorname klingt verdächtig – Aloisi.«
    »Ach was! Wenn er Jakow, Boris oder von mir aus Semjon hieße, na gut. Aber Aloisi … Ich meine, er ist ein Pole.«
    »Auch schlecht.«
    Während sie über Kochanowskis nationale Zugehörigkeit stritten, gab es zwischen Fandorin und Masa ein Gespräch auf Japanisch.
    »Herr, den Popen samt Warnawa-san und den Statistiker samt seinem Gehilfen können wir aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen. Sie sind mit uns zusammen in das erste Dorf gekommen. Da waren bereits drei Menschen tot. Jemand hat ihnen angeboten, sich zu ›retten‹, und sie haben zugestimmt. Aber Doktor Ssessulin, der war schon im Dorf. Und die beiden anderen übrigens auch …«
    »Ich habe darüber nachgedacht. Aber wir dürfen keinen ausschließen.« Fandorin seufzte. »Der Dechant und die Statistiker sind oft in dieser Gegend. Sie konnten den Haken schon vorher auswerfen.«
    Der Industrielle und der Wachtmeister waren verstummt und wechselten vielsagende Blicke. Japanisch verstanden sie nicht, doch sie waren wohl zu demselben Schluss gekommen wie Masa.
    »Und dir, Jewpatjew, glaub ich auch nicht so recht«, sagte Odinzow mit ungutem Lächeln. »Die Popenlosigkeit der Altgläubigen ist dir doch ein Dorn im Auge. Du möchtest, dass sie auch einen Popen am Halse haben. Das hast du selber oft genug gesagt, und deine Zeitung schreibt täglich darüber. Du bist ein Mann mit Köpfchenund weitreichendem Verstand. Hast du dir vielleicht vorgenommen, die Gesellschaft aus Mönchen, Gesundbetern und Gottesnarren mit einem Schlag auf deine Seite zu ziehen? Schlau eingefädelt!«
    »Was quatschst du da, du Vieh!« schrie Jewpatjew. »Vielleicht bist du der Provokateur? Es sähe dir ähnlich, du Wendehals! Für einen Altgläubigen gibt’s keinen schlimmeren Feind als den Abtrünnigen! Diese dreckige Idee stinkt förmlich nach dem Geheimdienst! Unsern Glauben willst du untergraben? Ich weiß es! Das hat dir der Rittmeister eingeredet, den du andauernd im Munde führst! Gib’s doch zu, du Judas!«
    Der Industrielle packte den Wachtmeister am Schlafittchen und der ihn am Kragen, und im nächsten Moment wäre es zum Handgemenge gekommen, hätte nicht Masa eingegriffen.
    Der Japaner schlug dem Wachtmeister sacht mit der Handkante gegen den Ellbogen, da sank dem der Arm gefühllos herab. Den Kapitalisten behandelte er etwas freundlicher, er presste ihm die Handgelenke zusammen, so dass sich dessen Hände wie von selbst öffneten.
    »Weiße Schafe haben wir nicht«, sagte er friedfertig, »nur schwarze.«
    Die Ordnung war wiederhergestellt. Die Streithähne atmeten noch schwer, fielen aber nicht mehr übereinander her, und Jewpatjew schien sich sogar zu schämen, dass er, ein solider Mann, Unternehmer, Zeitungsverleger, sich zu einem Handgemenge mit einem Wachtmeister hatte hinreißen lassen.
    »Mitja kommt mit dem Brennholz nicht hinterher. Wir müssen einheizen, es ist kalt. Zur Nacht wird es frieren … Hrm hrm.« Jewpatjew räusperte sich, blickte in die Runde. »Da, Kirillas Mädchen hat den Schal vergessen …«
    Er hob vom Fußboden den schäbigen wollenen Lappen auf, den man nur mit einigem guten Willen »Schal« nennen konnte.
    »Wenn sie sich nur nicht verkühlt, sie hat ja so einen dünnen Hals. Probezeit hin und her, aber Kirilla könnte ihre Führerin ein bisschen wärmer anziehen. Bis zum Kloster ist es ganz schön weit, und das Mädchen hat nur abgetragenes Zeug und zerschlissene Schuhe …«
    »Mir fällt auf, dass Sie Polkaschka nie beim Namen nennen. Warum nicht?«, fragte Fandorin und blickte von dem Papier auf.
    »Was ist es denn für ein Name?«
    »Ich dachte, ein alter Name bei den Altgläubigen.«
    Jewpatjew schüttelte beleidigt den Kopf.
    »Sie haben ja eine schöne Meinung von uns. Wir geben doch Menschen keine Hundenamen! Das Mädchen wird wohl nur zeitweilig so genannt, zur Erniedrigung. Polkan ist ein Regimentshund 8 . So wurde ein Raskolnik genannt, der aus freien Stücken in den Staatsdienst trat, als Soldat oder Polizist.« Er warf Odinzow einen Seitenblick zu. »Polkaschka ist ein Schimpfname. Damit das Mädchen Demut lernt. Scheußliche Sitte! Ich finde, durch Erniedrigung kann niemand etwas lernen …«
    »Hündin!«, rief Fandorin.
    »Was?«
    »Hier heißt es: ›
Die Hündin aber ließ sich nicht ängstigen, sie trieb die Lämmer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher