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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ihm ärgerlich ins Wort: »Sei still, Uljan! Du suchst den Falschen! Lawrenti hat g-gar nichts damit zu tun.«
    Nach diesen Worten wurde es in dem Holzhaus wieder sehr still.
     
    Schwarze und Weiße
     
    »Wir haben geglaubt, dem Verbreiter der S-Seuche nachzujagen, doch in Wirklichkeit haben wir selbst sie verbreitet. Das Unglück lief nicht vor uns her, sondern folgte uns. Etwa nicht? Wir kommen in ein neues Dorf, da herrschen Ruhe und Frieden. Kaum aber sind wir weg, schon bricht der Tod ein. Erinnern Sie sich? Der Doktor hat unsere bunte Gesellschaft als ›Sanitätsabteilung für Epidemieschutz‹ bezeichnet. Doch unsere Abteilung schützte nicht vor der Epidemie, sondern sie hat sie verbreitet …«
    »Warte mal, Erast Petrowitsch!«, rief bestürzt der Wachtmeister; er ging, wie immer in Momenten großer Erregung, zum Du über. »Worauf willst du hinaus?«
    »Der Deuter der W-Weissagung (nennen wir diesen Menschen einstweilen so) war unter uns.«
    Jewpatjew fauchte: »Na, das ist ja … Verdammt noch mal! Wer soll denn diese altgläubige Kassandra sein? Kirilla vielleicht?«
    Fandorin überlegte und schüttelte den Kopf.
    »Nein, die passt nicht. Sie sagten, Kirilla sei in ein leeres Kloster gegangen. Wie heißt es gleich?«
    »Staroswjatski.«
    »Ja, Staroswjatski. Da lebt niemand, aber der ›Retter der Schafe‹ braucht neue Opfer – die erwähnten L-Lämmer. Der Provokateur, der den Tod sät, muss keineswegs ein Altgläubiger sein.«
    »Erast Petrowitsch, spanne uns nicht auf die Folter. Sag: Wer ist es?« bat Odinzow.
    »Jeder kommt in Frage! Zum Beispiel Lew Kryshow, der von Sergej Gennadjewitsch sprach, dessen Gleichgesinnter er zu sein scheint …«
    »Wer ist Sergej Gennadjewitsch?«, fragte Jewpatjew.
    »Netschajew, der Nihilist. Der hat vor dreißig Jahren Russland zum Aufruhr aufgerufen und einen ›Katechismus des Revolutionärs‹ verfasst. Ich kann dieses bemerkenswerte D-Dokument auswendig, weil es immer noch Unheil anrichtet. ›Der Revolutionär hat in der Tiefe seines Wesens jedwede Verbindung zu Gesetzen, Anstandsregeln, allgemein üblichen Übereinkünften und zur Moral dieser Welt gekappt. Er ist ihr gnadenloser Feind, und wenn er weiterhin in ihr lebt, dann nur, um sie zu zerstören.‹ Oder, hier schon ganz direkt: ›Die Verbindung der Genossen hat kein anderes Ziel als die vollständige Befreiung und das Glück des Volkes, das heißt, der schwer arbeitenden Menschen. Aber in der Überzeugung, dass die Befreiung und die Erlangung dieses Glücks nur möglich sind auf dem Wege der alles zerstörenden Volksrevolution, befördert die Verbindung der Genossen mit allen Kräften und Mitteln die Entwicklung und Verschärfung der Nöte und Übel, die das Volk endlich aus seiner Duldsamkeit herausholen und zum allgemeinen Aufruhr bewegen.‹ Vom Standpunkt des Nihilisten führt jede Erschütterung, welche die Volksmasse aus dem Gleichgewicht bringt, diese näher an die große Revolte heran. Je schlechter es dem Volk geht, desto schnellerschlägt das Schiff der Staatsmacht leck, das Kryshow ›Schiff der D-Dummköpfe‹ nennt …«
    »Genau! Kryshow ist es!«, schrie der Polizist Odinzow. »Neulich hat der Herr Rittmeister von der Geheimpolizei ein Seminar abgehalten und uns alles erklärt über die Revolutionäre und Nihilisten. Sie sind tollwütige Hunde, die den Staat vernichten wollen!«
    Jewpatjew wurde sehr ernst.
    »Hm, wirklich … Kryshow war häufig in den Dörfern. Die Einheimischen kennen ihn und haben Vertrauen zu ihm! Wir müssen schleunigst nach Bestschegda!«
    »M-Moment mal. Auch unser Psychiater Anatoli Scheschulin gefällt mir nicht. Schon dass er aus der Hauptstadt hier angereist kommt, ist ziemlich verdächtig – direkt zum Schauplatz der Selbstmorde, die er mit unglaublichem Scharfblick vorausgesagt hat. Ich habe den Mann beobachtet. Er ist besessen von einem sehr starken Dämon, der Ehrgeiz heißt, noch dazu in einer äußerst krankhaften Form – dem wissenschaftlichen Ehrgeiz. Ist er womöglich der Versuchung erlegen, seiner Prognose ein wenig
n-nachzuhelfen
? Und extra deshalb hergereist? Er hat ja nur mühsam seine Freude verbergen können jedes Mal, wenn es neue Opfer gab. Erstens. Wir wollen auch nicht seine hypnotischen Fähigkeiten ignorieren, die er bei dem Anfall Lawrentis demonstrierte. Scheschulin erforscht den Mechanismus der Suggestibilität. Zweitens. Und nun drittens: Warum hat der glänzende Psychiater, der mühelos dem Gottesnarren seinen Willen

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