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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Sie gingen auf den Garten, auf eine kleine Wiese.«
    »Also erfolgte die Übergabe der Leichenteile durchs F-Fenster. Da auf dem Fensterbrett keine Spuren gefunden wurden, ist anzunehmen, dass Renard von außen die Behälter hochreichte; Polinka ging damit ins Badezimmer, füllte sie mit Leichenteilen und brachte sie ihrem Komplizen zurück. Als der grausige T-Transport beendet war, musste sie nur noch die Wanne reinigen und sich das Blut abwaschen …«
    Frau Odinzowa, obwohl sie sehr gern die Wette gewinnen wollte, sagte gleichwohl aus Gründen der Gerechtigkeit: »Erast Petrowitsch, das klingt alles sehr logisch – abgesehen von einem Umstand. Hätte Polinka eine solch monströse Operation ausgeführt, so wäre ihre Kleidung blutbefleckt gewesen, und Blut lässt sich nicht ohne weiteres herauswaschen, besonders, wenn man keine Wäscherin ist.«
    Diese praktische Bemerkung brachte Fandorin zwar nicht aus der Fassung, berührte ihn aber peinlich. Er räusperte sich und sagte mit gesenkten Augen leise: »Ich n-nehme an, dass das Fräulein, bevor es an die Zerteilung der L-Leiche ging, sich ihrer Kleidung entledigte. Ganz und gar …«
    Einige Damen schrien leise auf, und Molly Sapegina hauchte erbleichend: »O mon Dieu …«
    Fandorin schien Ohnmachtsanfälle zu befürchten und fuhr rasch fort, nun im Ton trockener Wissenschaftlichkeit: »Durchaus möglich, dass die anhaltende Bewusstlosigkeit der vermeintlichen Anjuta nicht simuliert war, sondern die natürliche Reaktion der Psyche auf die schreckliche E-Erschütterung.«
    Nun redeten alle auf einmal.
    »Aber es ist ja nicht Anjuta verschwunden, sondern Polinka!«, erinnerte von Taube.
    »Ach was, Polinka hat sich einfach ein Muttermal auf die Wange gemalt«, erklärte ungeduldig die scharfsinnige Gastgeberin, »und schon hielten alle sie für Anjuta!«
    Der pensionierte Leibmedikus Stupizyn widersprach: »Ausgeschlossen! Nahe Angehörige können Zwillinge sehr wohl unterscheiden. Am Verhalten, am Klang der Stimme und schließlich am Augenausdruck!«
    »Weshalb sollte sich Polinka für Anjuta ausgeben?«, unterbrach General Liprandi den Arzt.
    Fandorin wartete, bis der Strom der Fragen und Ausrufe versiegte, und beantwortete sie der Reihe nach: »Wenn Anjuta verschwunden wäre, Exzellenz, wäre Polinka unweigerlich verdächtigt worden, ihre Schwester aus Rache beseitigt zu haben, und man hätte gründlicher nach Spuren eines Mordes g-gesucht. Erstens. Das Verschwinden des verliebten Mädchens, zeitgleich mit dem Franzosen, legte jedoch die Version nahe, dass es Flucht war und kein Verbrechen. Zweitens. Und schließlich hatte sie als Anjuta die Chance, irgendwann Renard zu heiraten, ohne sich im Nachhinein zu verraten. Genau das scheint im fernen Rio de Janeiro geschehen zu sein. Ich bin sicher, dass Polinka einen so fernen Wohnort gewählt hat, um sich dort gefahrlos mit dem Gegenstand ihrer Anbetung zu vereinen.« Der Kollegienassessor wandte sich an den Leibmedikus. »Ihr Argument, dass die nächste Umgebung Zwillinge unterscheiden könne, ist durchaus zutreffend. Aber bedenken Sie, dass der H-Hausarzt Dr. Karakinych, den zu täuschen unmöglich gewesen wäre, kurz zuvor verstorben war. Hinzu k-kommt, dass sich die angebliche Anjuta nach der verhängnisvollen Nacht von Grund auf verändert hatte – sie war gleichsam ein anderer Mensch gew-worden. Nach den Geschehnissen fanden das alle ganz natürlich.In Wirklichkeit jedoch vollzog sich die Verwandlung mit Polinka, aber ist es denn verwunderlich, dass sie ihre frühere Lebhaftigkeit und Fröhlichkeit einbüßte?«
    »Und der Tod des alten Fürsten?«, fragte Sergej von Taube. »Er kam der Verbrecherin ja sehr gelegen.«
    »Ein äußerst verdächtiger Tod«, stimmte Fandorin zu. »Höchstwahrscheinlich war Gift im Spiel. Eine Obduktion wurde nicht vorgenommen, denn man führte sein plötzliches Ende auf seinen tiefen Kummer und seine apoplektische Veranlagung zurück, aber es ist durchaus denkbar, dass Polinka nach der grausigen Nacht die Vergiftung des leiblichen Vaters nur noch für eine Lappalie hielt. Übrigens ist es für eine Exhumierung nicht zu spät. Gift hält sich lange im Knochengewebe.«
    »Ich wette, dass der Fürst vergiftet wurde«, wandte sich die Hausherrin sogleich an Mustafin. Der tat, als hätte er nicht gehört.
    »Eine originelle Version. Und sehr geistreich«, sagte er bedächtig. »Man muss jedoch eine blühende Phantasie haben, um sich vorzustellen, wie die Fürstentochter Karakina im

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