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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Unrechtes gegessen?‹ – ›Noch gar nischt‹«, ahmte der Ermittler mit sichtlichem Vergnügen die einfache Redeweise des Putzmannes nach, »›bloß ’n Schluck vom guten Tee des gnädigen Herrn hab ich getrunken, aus der Kanne.‹ Eine Minute später hatte sich Krupennikows Seele zu den beiden bereits davongeflogenen gesellt.«
    Da alle diese Umstände Fandorin schon bekannt waren (nachdem Gespräch mit dem Generalgouverneur hatte er sich kurz mit dem Fall vertraut gemacht), konzentrierte er sich weniger aufs Zuhören als aufs Beobachten.
    Der älteste Sohn des Verstorbenen, der Erbe des Unternehmens, interessierte den Kollegienassessor am meisten. Er war ein recht gut aussehender, noch junger brünetter Mann mit ebenmäßigen, aber erstaunlich kalten Gesichtszügen. Das ursprüngliche Urteil hinsichtlich der »fischigen Augen« war Fandorin geneigt zu revidieren. Im Blick der jüngeren Brüder, ja, da schimmerte baltisches Heringsweiß, Sergej von Macks Augen aber leuchteten wie Stahl. Nach diesem Glanz zu schließen war das Unternehmen des vergifteten Großindustriellen in starke Hände übergegangen.
    Die beiden jüngeren Brüder genauer zu betrachten, erübrigte sich – nichtssagende Jünglinge; die Witwe hingegen gefiel Fandorin: Diese Frau war fähig, mannhaft zu leiden und nach Frauenart Mitleid zu empfinden. Ein gutes Gesicht.
    Auch die Einrichtung des Büros verriet manches über die Familie von Mack.
    Von hier aus erstreckte sich über Tausende Kilometer ein stählernes Spinnengewebe, in dem das Blut des riesigen Staates pulsierte; hier befand sich das Hirn, das die Arbeit zehntausender Menschen lenkte; wie viele Millionen Rubel, Franken und Mark mochten an diesem Tisch, auf den Rechenbrettern der Buchhalter klappernd hin und her geschoben werden? Im Übrigen war die Ausstattung schlicht, ja, asketisch: alles Notwendige (Geldschrank, Regale für Papiere, ein Tisch, etliche Sessel und Stühle, Landkarten, das neueste Bell-Telephon) und nichts Überflüssiges (keine Bilder, keine Skulpturen, keine Teppiche). Das sorgsam hervorgehobene spartanische Prinzip besagte: Wir vergeuden kein Geld für Kinkerlitzchen, bei uns muß jede Kopeke arbeiten. Eine für das russische Unternehmertum außergewöhnliche, fast unerhörte Einstellung.
    Aber was hatte der eigenartige Empfang zu bedeuten, der dem Beamten für Sonderaufträge zuteilgeworden war?
    Doch jetzt musste sich Fandorin wieder auf den Bericht des Ermittlers konzentrieren, denn der leitete zu den Ergebnissen der Laboruntersuchung über, die er offenbar kurz zuvor erhalten hatte.
    »Also sprach Sossim, nun zu der Kanne, aus der Krupennikow so folgenreich vom herrschaftlichen Tee kostete. Obwohl die Moskauer Polizei eine lange Leitung hat, ist sie doch auf die Idee gekommen, die Kanne ins Labor zu schicken. Zu unserem Glück war Krupennikow nicht der Fixeste und hatte das Geschirr noch nicht abgewaschen.«
    Bei diesen Worten fixierte Wanjuchin den ältesten von Mack mit einem so drohenden Blick, dass Fandorin aufmerkte und ebenfalls den Baron ansah. Dessen Mundwinkel zuckte, sonst zeigte er keine Regung.
    »Warum reden Sie dauernd um den heißen Brei herum?«, brach es aus dem jüngsten Bruder heraus, dem erster schwarzer Flaum auf der Oberlippe spross. »Was hat denn nun die Untersuchung der Teekanne ergeben?«
    Wanjuchin beäugte den Jüngling mit majestätischem Unmut.
    »Sie vergessen sich, junger Mann! In einer reichen Familie geboren zu sein, ist noch kein Verdienst. Sie sprechen mit einem Wirklichen Staatsrat, einem Träger des Wladimir-Sterns! Bei Ihnen in Moskau wird das goldene Kalb angebetet, ich aber bin nicht sein Anhänger, ich, liebwerter Herr, bin
Ankläger!
Ich bin ich hier, um in einem dreifachen Mordfall zu ermitteln! Und ich werde den Verbrecher stellen,
wer er auch sein mag.
Darauf können Sie sich verlassen!«
    Es war zu spüren, dass Wanjuchin das alles seit langem hatte sagen wollen. Wahrscheinlich hatte er die Geduld der Familie von Mack nur deshalb auf die Probe gestellt, um einen Anlass zu bekommen,die Reichen auf ihren Platz zu verweisen und deutlich zu machen, wer hier die Hauptperson war.
    »Wolodja wollte Sie nicht kränken, Euer Exzellenz«, sagte die Dame sanft. »Bitte, fahren Sie fort.«
    Noch etwas schnaufend, sprach er in demselben gehässigen Ton weiter, wobei er vornehmlich Sergej von Mack ansah.
    »In dem Pfefferminztee wurde Arsen gefunden. Der Mörder hat auf die aristokratischen Cyanide verzichtet. Übrigens ein

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