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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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vorgetragen, aber er sagte: ›Sie wollen mich dazu benutzen, einen Schatten auf Ihren Konkurrenten zu werfen? Da sind Sie an den Falschen geraten.‹«
    Der Baron stand auf und trat zu der Landkarte, die fast die gesamte Wand einnahm.
    »Im Eisenbahn-Business unseres Reiches herrscht eine erbitterte Konkurrenz. Schienen, Schwellen, Lokomotiven, Bahnstationen, Brücken – damit werden heutzutage riesige Vermögen gemacht oder vernichtet. Sehen Sie doch nur! Was für ein Betätigungsfeld! Was für Möglichkeiten! Was ist Amerika mit seiner Trans-American gegen Russland! Das ist kein Land, sondern ein Wunder! Wie viel Tausende Kilometer Schienen kann man hier verlegen!«
    Auch dafür kann man Russland lieben, dachte Fandorin erstaunt, als er sah, wie sanft die Hand des Barons über den Ural, die Orenburger Steppen und Sibirien strich.
    »Um einen Auftrag zu erhalten, werden millionenschwere Bestechungsgelder gezahlt, spioniert einer den andern aus, und wenn es sein muss, wird auch …« Der Baron fuhr sich vielsagend mit dem Finger über die Kehle. »Vater hat immer gesagt: ›Business, das ist Krieg, und ein Industrieunternehmen ist eine Armee.‹ Ich füge von mir aus hinzu: Der Tod des Heerführers auf dem Höhepunkt einer Schlacht bedeutet fast immer eine Niederlage … Aber nun zum Wesentlichen. Zurzeit wird in der Regierung beraten, wer den Auftrag für den Bau der Süd-Ost-Strecke bekommt. Kostenanschlag – 38 Millionen! Sogar für unser Unternehmen ist dieses Geschäft enorm wichtig, aber für Mossolow ist es eine Frage von Leben und Tod.«
    »Mossolow – wer ist das?«, unterbrach ihn Fandorin, der sich in Industriellenkreisen schlecht auskannte.
    »Unser Hauptkonkurrent. Der Besitzer der ›Dampfergesellschaft‹, das ist die ältesten Eisenbahngesellschaft.«
    »Wieso heißt sie dann D-Dampfergesellschaft?«
    »Früher, als alles anfing, sagte man nicht ›Dampfeisenbahn‹, sondern ›Dampfer‹«, erklärte der Baron dem Laien geduldig. Denken Sie an Glinka, erinnern Sie sich?«
    Der Baron sang unvermittelt mit angenehmer Stimme:
     
    Aus dem Dampferschornstein quellen dicke Wolken.
    Tempo, Frohsinn, Drängen, Ungeduld …
    Die Lust am Reisen wurzelt tief im Volke,
    Und schneller als des Menschen schwacher Wille
    Durchrast der Zug die abendliche Stille …
     
    »Ich e-erinnre mich«, sagte Fandorin etwas verdutzt; er hätte bei dem Stahlbaron keine musikalischen Fähigkeiten erwartet.
    »Die ›Dampfergesellschaft‹ steckt bis zu den Ohren in Schulden und Anleihen«, fuhr von Mack fort. »Erhält Mossolow jetzt nicht diese achtunddreißig Millionen, so fällt sein Unternehmen zusammen wie ein Kartenhaus, und er selber landet vor Gericht … Wenn Vater noch lebte, bekämen wir den Auftrag, das war schon so gut wie sicher. Aber jetzt hat sich alles geändert! Vater und Mossolow, das war wie Elefant und Maus. Jetzt ist Mossolow der Elefant, und ich bin die Maus. Wer vertraut einem Menschen meines Alters und meiner Erfahrung ein solches Vorhaben an, besonders, wenn es Mossolow gibt? Die Dampfergesellschaft kann triumphieren, sie ist gerettet.«
    »Und Sie nehmen an, Herr M-Mossolow könnte wegen des Auftrags Ihren Vater vergiftet haben?«
    »Natürlich nicht er selbst. Irgendwer in unserem Büro steht auf Mossolows Gehaltsliste. Das ist eine übliche Praxis, wir haben bei Mossolow auch … einen Mann. Das ist natürlich nicht schön, aber anders geht’s nicht im großen Business. Wer mehr über denKonkurrenten weiß, der gewinnt. Die Informanten bekommen sehr viel Geld. Und in Sonderfällen, wie der Auftrag für die Süd-Ost-Strecke einer ist, werden von einem solchen Menschen auch Sonderdienste erwartet. Für eine Sonderbelohnung. Ich bin sicher: Einer von unseren engsten Mitarbeitern hat das Arsen in die Teekanne getan. Dieser Kreis ist sehr klein. Vater mochte keinen Aufwand und kein Menschengewimmel. Im Büro halten sich immer nur wenige Personen auf. Niemand außer ihnen hatte Zutritt zum Kabinett.«
    »Interessant«, sagte Fandorin, außer Acht lassend, daß er eigentlich so schnell wie möglich aussteigen wollte.
    »Für mich ist es noch interessanter!« Im feingeschnittenen Gesicht des Barons traten die Kaumuskeln hervor. »Also, das Motiv des Verbrechens ist bekannt, der Anstifter auch, die Verdächtigen sind an einer Hand abzuzählen. Ihre Aufgabe ist es, den Täter zu ermitteln und seine Verbindung zur ›Dampfergesellschaft‹ nachzuweisen. Dann wird die Gerechtigkeit triumphieren, und wir

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