Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
erhalten den Auftrag. Die Advokaten werden natürlich alles hinauszögern, aber niemand wird einem Mann, der unter Mordverdacht steht, einen wichtigen Staatsauftrag anvertrauen. Leider bleibt nur wenig Zeit, die Entscheidung fällt in einer Woche. Der Verbrecher wusste genau, wann er den Schlag führen muss!«
Der Baron verstummte und fragte dann plötzlich einen seiner Brüder, den älteren: »Sascha, hast du noch deine Studentenuniform?«
»Jawohl«, antwortete Alexander militärisch.
»Du bringst sie zu der Adresse, die Herr Fandorin dir nennt. Du schickst keinen Diener, sondern gehst selber.«
»Wird erledigt.«
Wirklich wie beim Militär, dachte Fandorin. Der Oberbefehlshaber ist gefallen, die Truppen scharen sich um den neuen Heerführer und sind bereit, jeden Befehl auszuführen.
»W-Was soll ich mit der Studentenuniform?«
»Sie haben eine ähnliche Statur. Ich denke, sie wird passen. Es ist doch gut, dass Sie so jung sind. Bei uns machen häufig Studenten vom Institut für Verkehrswesen ein Praktikum.«
Der Kollegienassessor neigte verstehend den Kopf.
»Ich soll mich in Ihrem Büro als Praktikant ausgeben. Darum haben Sie mich dem Untersuchungsführer auch nicht vorgestellt.«
»Wie angenehm, mit einem klugen Menschen zu reden.« Der Baron deutete ein Lächeln an. »Man braucht keine Zeit für überflüssige Erklärungen zu vergeuden. Nehmen wir an, Sie sind Saschas Kommilitone. Sie werden sich mit der Geschäftsführung vertraut machen. In unserem Unternehmen ist es üblich, dass jeder von der Pike auf dient, um eine Vorstellung zu bekommen, wie das System funktioniert. Ich habe mit siebzehn als Heizer angefangen. Wolodja arbeitet jetzt als Lokführer. Sascha hat sich schon zum Bahnhofsvorsteher hochgearbeitet. Sie werden mein Sekretär sein. An Stelle des verstorbenen Stern. Einverstanden?«
Fandorin schwieg. Ein interessanter Fall, aber er war nicht gewöhnt, dass man ihm sein Handeln vorschrieb.
Der Baron deutete Fandorins Schweigen auf seine Weise.
»Selbstverständlich erhalten Sie im Erfolgsfall eine Belohnung. An Ihrer Breguet-Uhrkette und den goldenen Manschettenknöpfen sehe ich, dass Sie kein armer Mann sind, dennoch werden Sie die Prämie kolossal finden.«
»Eine Person im Staatsdienst darf von einem P-Privatunternehmer keine Belohnung annehmen«, erklärte der Kollegienassessor, worauf der Direktor nur griente.
»Wenn alle Beamten so dächten wie Sie, hätten wir ein anderes Land. Vielleicht sollte ich die Summe nennen? Wenn die Gesellschaft ›von Mack und Söhne‹ den Auftrag für die Süd-Ost-Strecke erhält … Nein, anders. Wenn Sie im Laufe einer Woche den Mörder finden und die Hintergründe des Verbrechens aufdecken, werdeich das Vergnügen haben, Ihnen eine Summe auszuhändigen, die einem Prozent des Auftragsvolumens entspricht.«
Fandorins Miene änderte sich nicht, und der Baron hielt es für nötig zu erklären: »Ein Prozent von achtunddreißig Millionen, das sind
dreihundertachtzigtausend.
Ich denke, so einen Betrag hat noch nie ein Ermittler bekommen. Außerdem handelt es sich dabei nicht um Schmiergeld, sondern um eine Belohnung für geleistete Arbeit.«
Die Antwort auf eine so unerhörte Großzügigkeit war ein tiefer Seufzer. Der Blick des Beamten für Sonderaufträge bekam einen Ausdruck von Wehmut.
»Sie zweifeln?« Der Baron zuckte gekränkt die Achseln. »Ein von Mack hält sein Wort. Aber ich kann es Ihnen auch schriftlich geben …«
Hier wurde der Direktor zum ersten Mal unterbrochen.
»Serjosha, sei still«, sagte die Witwe. »Du wirst noch alles verderben. Herr Fandorin nimmt kein Geld, wie viel du ihm auch anbietest.«
Der Beamte sah die Dame mit Interesse an. Gut möglich, dass das wahre Oberhaupt des Unternehmens nicht der stählerne Sergej von Mack war, sondern seine weise Mutter.
»So lehnen Sie ab?«, fragte der Baron mit erlöschender Stimme.
»Nein, ich übernehme den Fall. Doch eins muss ich klarstellen: Der Auftrag für Ihre Firma interessiert mich nicht, und ob eine Woche ausreicht, kann ich nicht versprechen. Aber der Mörder dreier Menschen muß ermittelt und dingfest gemacht werden.«
Weinen auf der Treppe
Das Kontor der Gesellschaft »von Mack und Söhne« war in einer unauffälligen Villa untergebracht, in bequemer, aber nicht zu repräsentativer Nähe zum Kalantschewskaja-Platz, wo die drei wichtigstenEisenbahnstrecken zusammentrafen: die Nikolaus-, die Rjasaner und die Jaroslawler Strecke.
Das Haus, das einer
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