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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Leiter des Kurierdienstes beleidigt, und um sieben Uhr neun …«
    »Was denn, du hast mit der goldenen Breguet in der Hand vor der Tür gestanden?« Fandorin konnte sich nicht mehr beherrschen.
    »Nein, Herr. Ich habe sie hier versteckt«, erklärte Masa und zeigte auf seine Brust. »Wenn ich wegen des Berichts wissen musste, wie spät es war, habe ich so getan, als ob ich mich kratze, und dabei auf die Uhr geguckt.«
    Er zeigte, wie er das getan hatte.
    »Schön, schön. Was war um sieben Uhr neun?«
    »Es kam die Person, die ich erwartet hatte. Keuchend und verschwitzt.«
    Kein Wunder, dachte Fandorin und beugte sich vor. Der Dienst im Büro endet um sieben. In neun Minuten zur »Dampfergesellschaft« zu laufen, ist keine Kleinigkeit. Natürlich hatte es Mossolows Agent eilig: so eine wichtige Neuigkeit.
    Masa, der Effekte liebte, machte eine Pause.
    »Auf wen tippen Sie, Herr?«, fragte er. »Wenn Sie falschliegen, behalte ich Ihre Uhr.«
    »Eine Chance gegen vier – das ist unredlich«, beschwerte sich Fandorin. Er mochte seine Uhr nicht einbüßen.
    Ungerührt riss der Diener vom Einwickelpapier fünf Schnipsel ab und schrieb darauf: »Marinierte Pflaume«, »Kitsune«, »Schiefmaul«, »Weißbart«, »schöne Frau«. Dann legte er sie vor seinen Herrn.
    »Wählen Sie.«
    Der Kollegienassessor schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie jeder der Fünf mit Herrn Mossolow tuschelte; wie er Gift in die Teekanne tat; wie er mit einem Revolver in der Hand durch die dunkle Straße schlich.
    Es gelang ihm nicht. Für alle drei Handlungen taugte keiner von ihnen.
    Fandorin knüllte seufzend die Schnipsel zusammen, mischte sie durcheinander und zog den erstbesten heraus.
    »Dieser.«
    Masa faltete das Papier auseinander, bewegte die Lippen und schob die Breguet ärgerlich von sich weg.
    »Ich bin selber schuld. Der Spitzname, den ich mir für ihn ausgedacht habe, war zu eindeutig.«
    Auf dem Schnipsel stand das Schriftzeichen für »Kitsune«.
    »Taissi? Nicht möglich!«, flüsterte Fandorin. Im übrigen hätte er über jeden anderen der fünf Verdächtigen wahrscheinlich dasselbe gesagt.
    »Kitsune kam um sieben Uhr neun angerannt, hochrot und verschwitzt«, berichtete Masa sachlich, nun ohne effektvolle Pausen. »Er hat mit dem Sekretär von Mossolow-dono getuschelt und wurde sofort eingelassen.«
    »Warte!«, rief Fandorin elektrisiert. »Wie lange war er dort?«
    »Siebzehn und eine halbe Minute. Dann ist er genauso schnell wieder weggelaufen.«
    Der Kollegienassessor überschlug: Taissi ist also vor halb acht von der »Dampfergesellschaft« losgelaufen. Der Schuss unter der Laterne krachte fünf vor acht. Konnte Taissi in der Zeit zurückgerannt sein und sich dem »Praktikanten«, der das Haus verließ, an die Fersen geheftet haben? Ja, er konnte. Und es war anzunehmen, dass er nicht aus eigener Initiative geschossen hatte, sondern auf Anweisung seines Auftraggebers. Kommerzienrat Mossolow hatte jede Menge Verbindungen und Möglichkeiten. Wenn er herausfinden wollte, wer der Sekretär war, der plötzlich bei seinem Konkurrenten arbeitete, hatte er es auch herausgefunden. Und er musste seinen Helfershelfer natürlich nicht lange überreden, noch einen Mord zu begehen – wo drei Leichen sind, kommt es auf eine vierte nicht mehr an.
    Alles sehr folgerichtig und logisch, aber blamabel für Fandorin. Sich so zu irren mit seiner psychologischen Einschätzung!
    »Räum das weg!«, sagte Fandorin verdrossen und stützte den Kopf in die Hände. »Mir ist der Appetit vergangen. Am besten, du gehst jetzt. Ich muss nachdenken.«
     
    Eine Studie in Rot und Violett
     
    »Hier ist die Kugel vorbeigepfiffen. Wie durch ein Wunder bin ich am Leben geblieben.« Mit diesen Worten beendete der »Praktikant« seine Erzählung. »Nie wieder geh ich bei Dunkelheit in die Olchowski-Gasse.«
    Die schreckliche Geschichte ließ niemanden kalt.
    Die Köchin, die sich beim Zuhören die Hand vor den Mund gehalten hatte, bekreuzigte sich und sagte: »Herr Jesus, wie furchtbar.«
    Serdjuk war entsetzt: »Zeiten sind das heutzutage. Früher hat einRäuber offen und ehrlich gefordert: ›Geld oder Leben‹, aber jetzt schießen sie gleich. Wohin soll das noch führen?«
    Seine Tochter, die reglos zugehört hatte, rief: »Ich würde auch nicht meine Geldbörse hergeben, und wenn sie mich umbringen. Pomeranzew, Sie sind ein richtiger Held!«
    »Schöner Held, ist davongerannt wie ein Hase«, konterte Landrinow sogleich

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