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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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seiner Hand entglitten und heruntergefallen.
    Er musste unter das Tischchen kriechen und den nicht gerade sauberen Fußboden abtasten.
    »V-Verdammt, nichts zu sehen!«, schimpfte er. »Haben Sie Streichhölzer?«
    Die verflixte Kette war in die äußerste Ecke gerollt. Da lag sie und blinkte matt mit ihren grünen Steinchen.
    Als Fandorin sie aufhob, sah er in der Ritze der Scheuerleiste etwas glitzern, heller als Jade.
    »Schauen Sie, eine Krawattennadel«, Fandorin zeigte dem Privatdozenten seinen Fund. »Ein Fahrgast hat sie verloren. Ich werde sie dem Schaffner geben.«
    »Erlauben Sie …« Der Privatdozent nahm das Schmuckstück in die Hand und betrachtete es im Licht. »Nein, nicht dem Schaffner. Ein echter Brillant. Der ist um die Fünfhundert wert. Der Schaffner ist ein Spitzbube und wird ihn behalten. Folgendes.« Er gab Fandorin die Nadel zurück. »Auf der Nikolaus-Strecke ist es üblich, die Namen der Erste-Klasse-Passagiere in ein Buch einzutragen, das vom Zugführer aufbewahrt wird. Für den Fall, dass jemand in seinem Abteil einen Gegenstand findet, den ein anderer vergessen oder verloren hat. Ich bin im Januar gereist und habe meine Vorlesungsmappe im Abteil liegen lassen. Zu Hause habe ich es bemerkt und war sicher, dass sie verloren ist. Und was denkenSie? Ich habe sie zurückbekommen. Nach den Eisenbahn-Vorschriften werden die Passagierlisten einen ganzen Monat aufbewahrt.«
    »Also gebe ich die Nadel dem Zugführer?«, fragte Fandorin und unterdrückte ein Gähnen.
    »Dem auch nicht. Der Mensch ist schwach.« Der Theologe hob den Finger und gab zu verstehen, wenn jemand die menschliche Natur kenne, dann er. »Es steht geschrieben: Führe mich nicht in Versuchung. Am besten bitten Sie den Zugführer um das Streckenbuch und sehen nach, wer im letzten Monat in unserem Abteil gereist ist. Er soll Ihnen die Liste geben. Um die Befragung der Personen wird sich die Polizei kümmern.«
    »Gut. So werde ich es m-machen«, sagte Fandorin seufzend.
    »Wirklich nobel, christlich gehandelt. Anders als unser werter Vater Prorektor, der mich, denken Sie sich nur, zu sich bestellt und gesagt hat …«, nahm der Privatdozent seine langatmige Erzählung wieder auf.

Vor dem Ende der Welt
     
    Über Träume
     
    Mutige Menschen haben oft schreckliche Träume. Im Wachen unterdrücken sie ihre Ängste mit Willenskraft, doch nachts, wenn die Selbstkontrolle nachlässt, kriechen aus den zugemauerten Kellern des Gedächtnisses Bilder hervor, von denen der Tapfere, in kalten Schweiß gebadet, erwacht.
    Fandorin hatte drei wiederkehrende Alpträume, die ihn Jahr für Jahr verfolgten: eine abgerissene Hand mit Trauring; ein zweigeteiltes Mädchenantlitz – die eine Hälfte engelhaft weiß, die andere teuflisch schwarz; und einen dritten, der späteren Datums war, vielleicht der grausigste von allen.
    Es war jedes Mal dasselbe: zuerst ein trübweißer Schleier, Schneesturm oder dichter Nebel. Dann schält sich aus dem hellen Hintergrund allmählich eine raue Fläche, die sich alsbald in ein Stück derbes Gewebe verwandelt. Dieses wird immer deutlicher sichtbar, als ob eine Hand das Okular scharf stellt.
    Auf einer grauen Bastmatte, deren einzelne Fasern deutlich zu erkennen sind, liegt ein sorgsam gewindelter Säugling. Sein rundliches Gesichtchen ist klar und ruhig. Die Sonne bescheint die friedlichen Züge, sie färbt die geschlossenen Wimpern golden. Auf der Spitze des Stupsnäschens liegt eine schöne flaumige Schneeflocke, die nicht schmilzt. Fandorin streckt die Hand aus, um sie wegzuwischen, da kriecht aus dem winzigen Nasenloch ein fetter weißer Wurm.
    An dieser Stelle folgte unweigerlich das schreckhafte Erwachen, und die zitternden Finger tasteten auf dem Nachttisch vergeblich nach den Streichhölzern.
    Fandorin setzte sich im Bett auf, zündete sich eine Zigarre an und verscheuchte Ephialtes, den Dämon der scheußlichen Träume, auf die einzig mögliche Weise: Er zwang sich zur Erinnerung, wie es wirklich gewesen war.
    Er blickte auf die im Dunklen glimmende Zigarre, sah aber nicht das rote Glutpünktchen, sondern einen weißen Fluss, einen silbrigen Wald längs der Ufer und schwarze Klumpen gefrorener Erde, aus der hervor leise-leise Engelsgesang tönte …
    Die Ruhe wiederzufinden und einzuschlafen, gelang erst gegen Morgen, und nicht immer.
     
    Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Kusnezow
     
    Alles hatte friedlich, ja, voller Wehmut angefangen.
    Erast Fandorin beging seinen einundvierzigsten Geburtstag in

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