Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
Heldin wissen, die ohne Waffen ein
wildes Tier zu zähmen vermag«, übersetzte der Mann,
der seinen Dolch gezogen hatte, eine Frage des Fremdlings. Yazi sah
ihre Mutter mit stolz leuchtendem Gesicht dastehen. Hiun warf ihr
einen giftigen Blick zu. Das Tuscheln in ihrem Rücken war ein
immer lauter werdender pfeifender Wind.
         Sie
strich noch einmal über den Kopf des Hundes, dann hob sie die
Schüsseln wieder auf.
         Morgen
würde dieser schreckhafte Mann endlich abreisen. Sie sehnte sich
nach dem vertrauten Tagesablauf, der durch seine Ankunft unnötig
durcheinander geraten war.

    ******

         Nachts
lag sie wie immer zwischen Hiun und ihrem Bruder. Gewöhnlich
schlief sie ein, sobald alle Lichter gelöscht waren, doch
diesmal wollte die vertraute Schwere sich nicht auf ihre Lider legen.
Im Nebenraum brannte noch eine Kerze, die das Dunkel störte.
Stimmen drangen herein. Die Körper ihrer Eltern fehlten auf dem
Kang, wo die ganze Familie schlief.
         Yazi
stand vorsichtig auf und schlich zu dem Vorhang, der die zwei Räume
voneinander trennte. Sie tat nur ungern verbotene Dinge, doch nun
wurde sie von einer unerklärlichen Unruhe getrieben. Etwas war
anders als sonst.
         »Mir
gefällt es nicht«, hörte sie ihren Vater sagen. »Wir
wissen nichts über diesen Mann. Vielleicht gibt er nur vor, der
Sohn eines reichen Mandarins zu sein.«
         »Du
hast doch die Sänfte gesehen. Seine bewaffneten Begleiter. Seine
Kleidung. Wie kannst du da noch zweifeln? Unsere Tochter wird ein
wundervolles Leben haben«, entgegnete ihre Mutter energisch.
         Yazi
fröstelte. Wollte der Fremdling Hiun mitnehmen? Ganz gleich, wie
oft sie sich mit ihrer Schwester schon gezankt hatte, wollte sie
nicht ganz auf deren Gegenwart verzichten müssen.
         »Wir
wissen kaum etwas von dem Leben reicher Stadtmenschen«, warf
ihr Vater ein. »Und er gehört zum Volk der Han, die ihre
Frauen einsperren. Das ist kein Leben für unsere Tochter. Sie
liebt die Arbeit im Freien.«
         »Sie
wird sich daran gewöhnen, in einem prächtigen Haus zu
leben, und es gar nicht mehr verlassen wollen«, meinte ihre
Mutter nur. Dann fuhr sie etwas leiser fort: »Der Dorfälteste
sagte doch schon, dass wir das Angebot nicht ablehnen können.
Wir brauchen das Geld, um die Banditen endlich zufriedenzustellen.
Außerdem wäre es unklug, den Sohn eines Mandarins zu
verärgern. Wir haben keine andere Möglichkeit, als seine
Wünsche zu erfüllen.«
         Yazi
staunte über ihre eigene Dreistigkeit, als sie einfach den
schweren Vorhang zur Seite schob. Doch weitaus mehr staunte sie über
die schuldbewussten Blicke ihrer Eltern, denn sie selbst hatte doch
durch heimliches Lauschen und freches Verhalten Schuld auf sich
geladen.
         »Ich
will nicht«, sagte sie nur. »Ich will nicht mit diesem
Fremden fortgehen. Bitte, lasst mich hier bleiben, einen Mann aus dem
Dorf heiraten. Oder einen aus der Nachbarschaft, damit ich in eurer
Nähe sein kann.«
         Sie
suchte vergeblich nach den Gesichtern ihrer Eltern, die sich von ihr
abgewandt hatten. Hilfloses Schweigen war die Antwort auf ihr Flehen.
Es war wie damals, als man beschlossen hatte, alle Hunde zu
schlachten, um hungrige Mägen zu füllen. Manchmal mussten
Opfer gebracht werden, damit die Gemeinschaft überleben konnte.
         Sie
hatte es immer gewusst. Und verstanden. Aber niemals wäre ihr in
den Sinn gekommen, eines Tages selbst ein solches Opfer sein zu
müssen.

    ******

         Yazi
trug den schönsten Rock, den Hiun jemals angefertigt hatte. Er
fiel in Falten bis zu ihren Knöcheln und kunstvolle
Seidenstickereien zierten den Saum. Die Schlichtheit ihrer
indigoblauen Jacke brachte diese Pracht noch mehr zur Geltung. Um
ihren Hals hingen zwei Silberketten, der kostbarste Besitz ihrer
Familie. Sie wusste, dass ihr damit ein großzügiges
Geschenk gemacht wurde.
         »Wenn
mein Gemahl mich verstößt, kann ich mit dem Schmuck dann
wieder zu euch kommen?«, fragte sie hoffnungsvoll, doch das
Gesicht ihrer Mutter wies sie zurück.
         »Du
musst dafür sorgen, nicht verstoßen zu werden. Dein Platz
ist jetzt an der Seite deines Mannes.«
         Der
Vater hielt sich im Hintergrund und vermied es, seine
Lieblingstochter anzusehen, als wolle er sich bereits an ihre
Abwesenheit gewöhnen. Ihre drei Brüder machten derbe
Scherze über Bräute in der Hochzeitsnacht. Früher
hätte Yazi sogleich schlagfertige Antworten gefunden,

Weitere Kostenlose Bücher