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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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doch nun
lag ein Stein auf ihrer Brust, der sie willenlos und schweigsam
machte, denn sie war hauptsächlich damit beschäftigt, sein
Gewicht zu ertragen. Immer wieder versuchte sie, Hiuns Blick zu
erhaschen, doch seitdem ihre Verlobung mit dem Sohn eines Mandarins
bekannt geworden war, ging die ältere Schwester ihr aus dem Weg.
Yazi konnte ihr nicht einmal sagen, wie gern sie diese Zukunft an
eine andere Frau abgetreten hätte, um selbst im Dorf bleiben zu
können.
         Die
Mutter kämmte ihr sorgfältig das Haar und schlang es zu
einem Knoten, der mit Nadeln festgesteckt wurde. Yazi genoss diesen
Augenblick mütterlicher Aufmerksamkeit, der sie an ihre frühe
Kindheit erinnerte. Der breitkrempige, schwarze Hut, der bei den
verheirateten Frauen ihres Dorfes üblich war, wurde Yazi jedoch
nicht aufgesetzt, vermutlich, weil er dem edlen Fremdling nicht
gefallen hätte.
         Yazis
Augen versuchten jedes winzige Detail ihres Zuhauses aufzusaugen, um
diese Bilder für immer in ihr Gedächtnis zu meißeln.
Eine Feuerstelle in der Ecke, Schüsseln, Töpfe und hölzerne
Löffel für das tägliche Essen. Ein Tisch aus Bambus,
zwei Hocker und eine Bank. An dem schweren Vorhang, der Ess- und
Schlafraum voneinander trennte, hatte sie mit der Mutter und ihren
Schwestern viele Monate lang gestickt. Dahinter verbarg sich der
breite Kang, die Schlafstätte der Familie. Er stand auf einem
beheizten Fundament aus Ton, das im Winter den ganzen Raum wärmte.
Yazi wusste nicht, wie sie jemals würde einschlafen können,
ohne die vertrauten Körper in ihrer Nähe zu spüren und
deren Atemzüge zu hören.
         »Jetzt
ist es so weit, mein Kind. Dein Bräutigam erwartet dich im Hof«,
riss die verkrampft heitere Stimme der Mutter sie aus diesen
Gedanken. Yazi wollte ihren Körper zu Stein werden lassen, damit
er zu schwer wäre, um hinausgetragen zu werden, doch ihre Beine
gehorchten aus alter Gewohnheit. Es rauschte in ihren Ohren, obwohl
der Tag windstill war. Sie musste sich in einem Traum befinden. Bald
würde sie auf dem Kang erwachen, das Licht der Morgendämmerung
hinter dem Fenster erblicken und aufstehen, um sich für die
Feldarbeit fertig zu machen.
         Der
Hof war mit Menschen übersät. Neugierig musterten die
Dorfbewohner die zur Abreise bereite Eskorte des Fremdlings. Yazis
Füße erledigten einen Schritt nach dem anderen und sie
blickte fassungslos in all die vertrauten Gesichter. Sie gehörte
zu diesem Dorf so wie ein Zeh zu einem Körper gehörte,
hatte mit ihm gelebt, gearbeitet, geatmet und gehofft. Wie konnte sie
nun verkauft werden, als sei sie nichts weiter als ein Schwein oder
eine Ziege?
         Sie
entdeckte Rong Yingxiong inmitten der Versammelten. Seine lange Robe
aus blauer Seide ließ ihn wie einen zarten Schmetterling unter
gewöhnlichen Fliegen wirken. Er senkte sogleich verlegen den
Blick, als wisse er sehr wohl, dass seine Auserwählte nicht
freiwillig mit ihm ging. Yazi holte Luft. Sie wollte schreien.
         Plötzlich
spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter. Hiun stand vor
ihr, schüttelte sie leicht, um ihr dann die Arme um den Hals zu
schlingen.
         »Lebe
wohl, kleines Entchen«, flüsterte sie. »Er traf die
falsche Wahl, ich wäre die Richtige für den Sohn eines
Mandarins gewesen. Aber nun ist es eben so. Du musst ihm auch weiter
gefallen, verstehst du? Solange ein Mann für eine Frau entflammt
ist, hat sie Einfluss auf ihn. Aber diese Zeit geht sehr schnell
vorbei. Nutze seine Leidenschaft, um ihm einen Sohn zu schenken. Das
sichert deine Stellung. Denn seine erste Gemahlin bist du mit
Sicherheit nicht, nur eine Konkubine, sonst hätte er das
Einverständnis seines Vaters gebraucht.«
         Hiun
wollte sich zurückziehen, aber Yazis Arme hielten sie gefangen.
Sie hatte die kleinere, zarte Schwester stets als schwächer
empfunden, doch nun schien sie über ein Wissen zu verfügen,
das Yazi fehlte.
         »Geh
an meiner Stelle. Bitte, du wünschst es dir doch«,
murmelte Yazi verzweifelt. Hiuns Gesicht verkrampfte sich.
         »Darüber
haben wir nicht zu entscheiden«, meinte sie nur, als sie sich
mit erstaunlicher Energie aus der Umarmung wand.
         »Du
musst auf das Pferd steigen. Es ist Zeit«, mahnte die Mutter.
Yazi ließ sich zu einem gesattelten, braunen Pony führen.
         »Im
nächsten, größeren Ort bekommst du auch eine Sänfte«,
drang die Stimme ihrer Mutter weiter an ihr Ohr, als sei dies ein
Grund zur Freude. Yazi war

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