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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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verzehrte. Nur die Umrisse einer
kleinen Kammer hatten sich aufgetan. In Regalen waren Stoffballen und
Kisten gestapelt. Dazwischen kauerte eine schmächtige Frau in
einem kostbaren Gewand aus leuchtend roter Seide. Ihre Arme waren
weit ausgestreckt, als könne sie allein dadurch die drei kleinen
Kinder in ihrem Rücken vor allem Übel dieser Welt
abschirmen.
         Der
Hund sprang ihr entgegen und leckte Schminke von ihrem zauberhaft
schönen Gesicht. Sie regte sich nicht, musterte Yazi nur mit
großen, hasserfüllten Augen.
         Yazi
trat einen Schritt vor. Die Frau schoss blitzschnell in die Höhe,
zog ein kleines Küchenmesser aus ihrem Ärmel und
umklammerte es mit beiden Händen. Yazi wusste, dass es nicht
besonders schwierig wäre, dieser zarten Gestalt die Waffe zu
entreißen. Ein gezielter Tritt würde genügen.
         Aber
sie tat nichts, außer ihren Blick in die entschlossen
funkelnden Augen der Palastdame zu bohren. Der verzweifelte Mut
dieser Frau, die sich nicht widerstandslos abschlachten lassen
wollte, beeindruckte sie. Eines der Kinder hatte begonnen zu wimmern.
Es war ein Mädchen, nicht älter als sieben, so wie
Chuntian, die in einer solchen Lage sicher auch geweint hätte.
         »Sorg
dafür, dass dein Hund still bleibt«, zischte Yazi der
Unbekannten zu, die fassungslos nickte. Dann trat Yazi zurück
und wollte die Tür schnell zufallen lassen, um sich so
unauffällig wie möglich davor zu stellen.
         »Worauf
wartest du?«, hörte sie plötzlich Pofus Stimme in
ihrem Rücken. Die Generalin hatte leise gesprochen, als wolle
sie keine Aufmerksamkeit auf Yazis Fehlverhalten lenken.
         Yazi
fühlte Kälte, die sich bis in ihre Knochen fraß. Ihre
Hände begannen zu zittern.
         »Geh
hinein und erledige deine Pflicht«, zischte Pofu nun deutlich
schärfer. Yazis rechter Fuß bewegte sich und trat gegen
die Tür, um sie endgültig zufallen zu lassen.
         »Was
soll das? Du hast zu gehorchen!«
         Pofu
baute sich wie ein bedrohlicher Schatten vor ihr auf. Yazis Atem
wurde schneller. Sie rief sich Andrews bewundernden, liebevollen
Blick in Erinnerung, als sie ihren Rücken gegen die Tür
presste. Er hatte sie einen Teil des Guten genannt.
         »Lass
sie leben. Niemand außer uns hat sie gesehen«, flehte sie
Pofu an. Die Generalin schluckte, schien tatsächlich kurz zu
überlegen.
         »Wir
haben einen klaren Befehl«, entgegnete sie dann.
         »Lass
sie leben!«
         »Wenn
du es nicht kannst, dann trete zur Seite«, kam es nun ein wenig
lauter. Yazi sah sich ängstlich um. Sobald die anderen Soldaten
bemerkten, was hier vor sich ging, war alles umsonst. Aber sie waren
schon im Begriff, Schränke aufzureißen und deren Inhalt
auf die Leichname ihrer Eigentümerinnen zu werfen. Blutbefleckte
Finger griffen nach Seide und Schmuck.
         Yazi
fiel ein, dass Plündern in der Taiping-Armee verboten war. Warum
wies niemand diese Männer zurecht?
         »Geh
zur Seite!«, schrie Pofu nun und hob ihr Schwert. Yazi presste
die Kiefer aufeinander. Sie spürte die kalte Spitze der Klinge
an ihrem Kinn, ihr Atem rasselte und sie schwitzte wie an einem
glühend heißen Sommertag. Ihre Augenlider fielen zu. Wenn
sie jetzt starb, wer würde sich um Chuntian kümmern?
         Sie
dachte an Andrew, den ihre Tochter stets mit strahlenden Augen
musterte. Er mochte das Mädchen. Mit aller Kraft zwang sie sich
zu glauben, dass er Chuntian zu sich nehmen würde. Um
ihretwillen. Weil sie gestorben war, um das Richtige zu tun.
         Pofus
Finger bohrten sich in ihre Schultern und zerrten sie zur Seite. Yazi
hob ihre Arme, um den Angriff abzuwehren. Stumm rangen sie kurz
miteinander, traten und schlugen um sich, warfen einander zornige
Blicke zu. Yazi spürte ihre Kraft schnell erlahmen. Welche Frau
konnte sich mit Pofu messen, die selbst kräftige Männer in
die Knie gezwungen hatte? Sie rief sich das Gesicht der Palastdame in
Erinnerung, das Funkeln der Entschlossenheit, den Mut der
Verzweiflung. Noch einmal bäumte sie sich auf, warf sich mit
aller Kraft gegen ihre Generalin, aber sie fiel in stählerne
Arme, die sie festhielten.
         »Komm
nach draußen. Der Einsatz ist vorbei!«, hörte sie
Pofu leise sagen und wurde losgelassen. Die Generalin eilte
tatsächlich den davonströmenden Soldaten hinterher. Yazi
schnappte nach Luft und wartete, bis ihr Atem sich beruhigt hatte.
Dann lief sie ebenfalls los, weg von der Tür, hinter

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