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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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zahllosen Füßen, die über sie dahinhasteten. Ab
und an erklang ein Schmerzensschrei. Yazi wusste, dass jeder Krieg
auch unschuldige Opfer forderte. Vermutlich hatten die verletzten
oder gar toten Dienstboten sich dumm verhalten.
         Yang
Xiuqing, der Ostkönig, war von dem Lärm erwacht und rannte
halb nackt zu einer mit Phönixen bemalten Wand in seinem
Empfangssaal, als die Krieger ihn ertappten. Er öffnete mit
zitternden Händen eine unsichtbare Tür, doch Klingen
durchbohrten seinen Rücken, bevor er den Weg in ein unbekanntes
Versteck hatte einschlagen können.
         Er
war ein schöner Mann gewesen, befand Yazi, die mit anderen
Soldaten einen Kreis um die Leiche bildete. Edle Gesichtszüge,
hohe Wangenknochen und fein geschwungene Augen, die nun geschlossen
waren, sodass der verschlagene Ausdruck fehlte. Sein langes Haar
floss blauschwarz über den Fußboden, vermischte sich mit
dunklem Rot. Sie sog den vertrauten Geruch von Blut ein und fühlte
sich dadurch zum ersten Mal erleichtert. Der Unruhestifter, Jinjings
Mörder, er war tot. Doch fand sie es etwas beschämend, dass
so viele Krieger nötig gewesen waren, um ihn allein und
unbewaffnet aus dem Weg zu räumen.
         Aus
dem Hintergrund erklangen Schreie. Eine zarte Hand schob eine andere
Tür zum Empfangsraum auf. Yazi sah die breite, kleinwüchsige
Gestalt einer älteren Frau auf Lotusfüßen
hereinschwanken. Sie musste ebenfalls von dem Lärm aufgeweckt
worden sein, denn auf ihrem Gesicht war verwischte Schminke zu
erkennen und ihre Augen waren von Schlaf verquollen.
         Der
letzte Schrei dieser Frau glich dem Blöken eines Lamms auf der
Schlachtbank. Sie hatte sich fassungslos über den toten Ostkönig
gebeugt, als ein Schwert ihren Nacken durchtrennte. Stumm brach der
blutüberströmte Rumpf zusammen, der Kopf prallte mit einem
dumpfen Schlag auf den Boden. Yazi überlegte, wer diese Frau
wohl gewesen war. Vielleicht eine entfernte Verwandte, oder eine
Bedienstete, denn nach ihren Füßen zu urteilen hatte sie
zum Volk der Han gehört. Doch warum hatte so ein harmloses,
altes Weib überhaupt sterben müssen?
         »So,
und nun der Rest der Familie«, erklärte der General Qin
Rigang sogleich. Yazi verstand den Befehl zunächst nicht. Den
Zweck ihres Kommens hatten sie doch bereits erfüllt.
         »Es
hieß, nur der Ostkönig müsse sterben«, erklärte
Pofu auch schon energisch. »Seine Frauen und Kinder können
niemandem Schaden zufügen.«
         Qin
Rigang warf ihr einen ungeduldigen Blick zu.
         »Söhne
und Enkel des vierten Gottessohnes sind unerwünscht«,
meinte er nur. »Ebenso wie ihre Mütter.«
         Dann
hob er die Hand zum Angriff. Das Trampeln der Krieger erschütterte
die hölzernen Wände der Palastgebäude, die in den
hinteren Höfen verteilt waren. Yazi warf Pofu einen ratlosen
Blick zu, aber ihre Generalin lief den Männern hinterher. Yazi
wusste, dass sie ebenfalls folgen musste, und fügte sich in die
Traube von atemlos rennenden Soldaten.
         Manche
der Frauen lagen noch in ihren Betten, andere versuchten bereits
durch Fenster oder Seitentüren zu entkommen. Lautes Kreischen
stach in Yazis Ohren, sie sah Klingen aufblitzen und Körper
unter ihnen zusammenbrechen. Die Angreifer bildeten eine dichte Mauer
vor den einzelnen Hofhäusern, hinter der ihre Opfer
verschwanden. Yazi hielt sich bewusst im Hintergrund. Sie hatte
bereits etliche Soldaten der Qing getötet, doch war das unter
Bedrohung durch Kanonenfeuer und spitze Waffen geschehen. Wer sich
nicht zu wehren gewusst hatte, war selbst gestorben. Dies hier aber
war kein Kampf, nur ein Schlachten. Sie hätte gern beide Hände
gegen ihre Ohren gepresst, um das Schreien und Flehen um Gnade nicht
mehr hören zu müssen, doch stand es ihr nicht zu, die Waffe
fallen zu lassen. Sie trat einen Schritt zur Seite und lehnte sich an
ein freies Stück Wand im Hauptgebäude der Frauengemächer.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren verursachte der Geruch von Blut ihr
Übelkeit.
         Zu
ihren Füßen regte sich etwas. Ein wuscheliger, weißer
Hund huschte vorbei, warf sich winselnd gegen eine Tür, kratzte
und jaulte so laut, dass er sogar die Schreie im Hintergrund
übertönte. Yazi überlegte, dass diese Tür wohl
ins Freie führen musste. Erleichtert, wenigstens das Leben
dieser kleinen Kreatur retten zu können, öffnete sie.
         Aber
sie sah keinen Nachthimmel und vermochte keine frische Luft
einzuatmen, obwohl sie sich danach

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