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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ihr
selbst seit Langem klar geworden war. Doch gab es einen Mann, der
sogar chinesisch erzogen war, aber dennoch Verständnis für
ihr Verhalten gezeigt hatte.
         »Danach
verschwinden Sie spurlos«, fuhr Max von Brandt unerbittlich
fort. »Ungefähr fünf Wochen später tauchen Sie
plötzlich in Shanghai auf, um für neuen Wirbel zu sorgen.
Liebes Fräulein Virchow, der ferne Orient ist keine Theaterbühne
für exzentrische Damen mit dem Hang zu Selbstdarstellung.«
         Viktoria
krallte ihre Finger in die Stuhllehne, denn ihr wurde wieder
schwindelig. Das alles lief so völlig anders als erhofft. Wo war
der gelassene, nachsichtige Weltmann geblieben?
         »Ich
bedauere, wenn mein Verhalten für Aufsehen gesorgt und
vielleicht sogar unserem Heimatland geschadet hat. Das ist niemals
meine Absicht gewesen«, sagte sie völlig ehrlich. »Aber
nun brauche ich Ihre Hilfe. Es geht um einen Mann, der mir ein
loyaler und hilfreicher … Diener war, aber nun im englischen
Konsulat gefangen gehalten wird, weil er mir in einer heiklen
Situation zu Hilfe kam.«
         Sie
hörte den schwachen, flehenden Klang ihrer Stimme. Leider war
ihr wieder eine von der Mutter vermittelte Lebensweisheit
eingefallen: Eine Frau, die in heikle Situationen geriet, trug selbst
die Schuld daran, weil sie auf Männer einen falschen Eindruck
machte. Viktoria bekam eine Ahnung davon, wie sehr Max von Brandt sie
verurteilen musste.
         »Ich
habe von dem Fall gehört«, entgegnete er gelassen. Dann
legte er beide Hände auf den Tisch und beugte sich vor.
         »Ich
fürchte, Sie haben eine Regel missachtet, die für uns
Europäer in dieser fremden Welt von elementarer Wichtigkeit
ist«, erklärte er. »Ich gehöre keineswegs zu
jenen Diplomaten, die sich nach langjähriger Anwesenheit in
China rühmen, niemals einen Chinesen über ihre Türschwelle
gelassen zu haben. Ich habe chinesische Bekannte. Doch war mir und
auch ihnen stets klar, dass allzu enge, persönliche Beziehungen
vermieden werden sollten. Bei so grundlegend unterschiedlichen
Kulturen sind sie gewissermaßen ungesund, sorgen naturgemäß
für Schwierigkeiten.«
         Viktoria
schluckte. Wenn Max von Brandt wüsste, wie eng und persönlich
ihre Beziehung zu Jinzi bereits geworden war, hätte er sie
vielleicht nicht einmal mehr empfangen. Sie zwang sich, ruhig zu
atmen. Wie viele hübsche chinesische Kurtisanen hatte der
wichtige Gesandte wohl schon aufgesucht, seit er in Asien lebte? Aber
für Frauen galten überall auf der Welt andere Regeln.
         »Vielleicht
hätte ich auf Ihren Rat hören sollen«, meinte sie nun
durchaus diplomatisch. »Doch nun ist es eben so, wie es ist.
Ich würde Sie nur bitten, für die Freilassung meines
Dieners zu sorgen, und ich werde in Zukunft vernünftiger sein.«
         Max
von Brandt lehnte sich wieder auf dem Stuhl zurück.
         »Ich
würde Ihre Wünsche gern erfüllen, aber Sie scheinen
meinen Einfluss zu überschätzen. Ich kann dem britischen
Konsul nicht einfach vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat.«
         Viktoria
bohrte ihre Zehenspitzen in den Teppich.
         »Ein
so geschickter Diplomat wie Sie kann sicher wirksamere Wege finden
als einen direkten Befehl«, entgegnete sie und hatte endlich
wieder das Gefühl, sich richtig zu verhalten. Max von Brandt war
durchaus stolz auf seine Fähigkeiten, daher war es wohl die
richtige Strategie, an diese zu appellieren.
         Er
schien eine Weile nachzudenken, musterte das Holz seines
Schreibtisches, seine Hände, die darauf lagen und einen Stapel
von Papieren.
         »In
diesem Land ist der Zusammenhalt zwischen den europäischen
Nationen sehr wichtig«, sagte er dann. »In der Fremde
sind wir einander näher als in der Heimat. Ich bedauere,
Fräulein Virchow, aber ich will das Wohlwollen der Briten nicht
aufs Spiel setzen, indem ich den Wunsch abenteuerlustiger Damen
erfülle und mich in ihre Angelegenheiten mische.«
         Viktoria
sackte in ihrem Stuhl zusammen. Diese Worte klangen endgültig.
Sie hatte verloren. Ihre Hände verkrampften sich hilflos in
ihrem Schoß. An ihrem Daumen verspürte sie das Stechen
kleiner Steine, ihr Blick fiel auf den Drachenreif und eine Idee nahm
in ihrem Kopf Gestalt an. Max von Brandt war begeistert von diesem
Schmuck gewesen. Ohne einen Moment zu zögern, streifte sie das
geliebte Stück Erinnerung von ihrem Handgelenk, um es auf den
großen Schreibtisch zu schieben.
         Es
war eine

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