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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Räume,
bis sie endlich wieder den Gestank der Chinesenstadt in ihren
Nasenflügeln spürte. Der Herzschlag war ein Trommelwirbel
in den Ohren. Als sie vor dem Eingangstor den geduldig wartenden
Rikschafahrer erblickt hatte, wäre sie ihm fast weinend um den
Hals gefallen.

    ******

         Den
nächsten Tag dämmerte sie nur auf ihrem Bett dahin, sagte
den Unterricht ab und auch das abendliche Klavierspiel im Speisesaal.
Die Vorstellung, ihre inoffizielle Anstellung zu verlieren wenn sie
allzu lang unpässlich blieb, ließ sie erschreckend kalt.
Sie hatte aus einem ihr unbegreiflichen Grund alles verdorben, war
von Shen Akeu hinausgeworfen worden wie eine unverschämte
Bettlerin. Sie wusste nicht, ob es an der zeitlichen Befristung ihres
Angebots gelegen hatte oder ob sie auf irgendeine Weise unverschämt
geworden war. Zurück blieb nur der bittere Geschmack einer
Selbsterniedrigung, die völlig sinnlos gewesen war, und das
Bewusstsein völligen Versagens. So dämmerte sie bis zum
nächsten Morgen dahin. Dann brachte Dewei ihr eine Nudelsuppe
ans Bett und forderte sie eindringlich auf, endlich aufzustehen. Sie
gehorchte. Sie musste sich dem Leben weiter stellen, auch wenn Jinzi
wohl verloren war.
         Eine
Woche lang bewegte sie sich wie eine Schlafwandlerin durch das Hotel,
fand nur in den Momenten, da sie sich ganz auf ihre Aufgaben
konzentrierte, etwas Erlösung von ihrer Niedergeschlagenheit. Es
musste weitergehen. Sie war es Dewei schuldig, ihn nicht im Stich zu
lassen. Bekamen Menschen aus diesem Grund Kinder, um bis an ihr
Lebensende eine Aufgabe zu haben?
         Sie
hatte gerade das Mittagessen mit den lauten McGregors hinter sich
gebracht und wollte für eine Weile auf ihr Zimmer flüchten,
als einer der Hoteldiener sie auf der Treppe zurückhielt. Eine
chinesische Sänfte wartete am Eingang, um die deutsche Lady
mitzunehmen. Viktorias Herz tat einen Sprung, dann begann sie zu
frieren.
         Shen
Akeu hatte also doch beschlossen, ihr Angebot anzunehmen.
         Sie
eilte in ihr Zimmer und verfasste rasch einen Brief an Max von
Brandt, den sie Dewei in die Hand drückte.
         »Sollte
ich nicht zurück sein, wenn das chinesische neue Jahr beginnt,
dann sorg dafür, dass der deutsche Gesandte in Peking mein
Schreiben erhält«, sagte sie. »Bis dahin werden die
McGregors dich versorgen.«
         »Ich
komme mit«, widersprach er, doch sie winkte entschieden ab. Sie
hatte ihn nicht aus einer Welt der Sklaverei befreit, nur damit er
sie wieder dorthin begleitete. Wenn Max von Brandt den Brief erhielt,
würde er alles daran setzen, sie aus den Klauen von Shen Akeu zu
befreien, weil eine deutsche Frau in dieser Lage dem Ansehen ihrer
Nation schadete. Sie wusste, dass er sie dafür verdammen würde,
so tief gesunken zu sein. In Shanghai würde sie danach nicht
mehr bleiben können, vermutlich musste sie sogar China
verlassen, aber sie hatte nicht die Zeit für konkrete
Zukunftspläne.
         Die
Sänfte schwankte gemächlich dahin. Viktoria saß
aufrecht da und hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. Was
sie erwartete, vermochte sie sich nicht auszumalen. Sie musste einen
Weg finden, für ein paar Wochen ihrem eigenen Körper zu
entfliehen, doch während sie sich das vornahm, ahnte sie in
ihrem tiefsten Inneren, dass es nicht möglich sein würde.
         Zum
dritten Mal durchquerte sie das Tor zur Chinesenstadt. Ein Stück
vor dem alten Teehaus gesellte eine weitere Sänfte sich zu der
ihren. Für einen kurzen Moment nur war die Straße breit
genug, um sie Seite an Seite schweben zu lassen. Ein seidener Vorhang
wurde fortgeschoben und Viktoria erblickte Shen Akeus Gesicht,
diesmal nun wieder zur Maske geschminkt und mit einem kunstvollen
Kopfputz versehen.
         »Ich
weiß, Sie sind nicht gerade froh über unser Wiedersehen«,
meinte die Hure. »Aber ich habe Nachrichten, die sie über
meinen Anblick hinwegtrösten sollten. Wir holen jetzt Jinzi aus
dem Gefängnis.«
         Viktorias
Verkrampfung wich schlagartig rasender Freude.
         »Wird
er einfach freigelassen?« Für einen Augenblick empfand sie
echte Bewunderung für eine Frau, die mehr bewirken konnte als
Max von Brandt.
         »Nein,
aber der Fall wird heute schon verhandelt, damit er nicht langsam im
Gefängnis verfault. Der Richter gehört glücklicherweise
zu meinen ältesten Gästen. Mir wurde ein mildes Urteil
versprochen, ein paar Ermahnungen und natürlich der Befehl,
seine Frisur zu ändern. Es war

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