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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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protestierte Anette, deren Augen plötzlich zu
funkeln begannen. »Ich glaube, es war so: Ein Liebespaar, das
sich für eine Weile trennen musste, schrieb den Text gemeinsam
auf. Dann rissen sie ihn in zwei Teile. Jeder nahm eine Hälfte
mit. Sie wollten es wieder zusammenfügen, sobald sie vereint
waren. Aber dazu kam es wohl nicht. Wie tragisch!«
         Sie
stieß einen bühnenreifen Seufzer aus. Viktoria runzelte
die Stirn. Zu viel Sinn für Romantik war nicht nur dumm, sondern
gefährlich.
         »Wir
werden wohl nie erfahren, wie es war«, beendete Nathan ganz
sachlich das Gespräch. Dann inspizierte er das zweite Blatt.
Diesmal las er nur sehr kurz, warf Viktoria dann einen besorgten
Blick zu.
         »Das
Siegel der Taiping. Hat das wirklich ein Straßenhändler
verkauft?«
         »Aber
natürlich. Das sagte ich doch«, beharrte sie auf ihrer
Lüge. Anette scharrte ungeduldig mit dem Fuß, denn das
Gespräch begann sie allmählich zu langweilen. Doch Nathan
wandte sich nochmals an Viktoria.
         »Sie
sollten mit diesem Siegel niemals außerhalb der internationalen
Siedlung herumlaufen«, mahnte er todernst. »Zwar ist der
Aufstand niedergeschlagen worden, doch es gärt immer noch im
Land. Die kaiserlichen Soldaten und Beamten wären auf niemanden
gut zu sprechen, den sie mit dem Taiping-Siegel erwischen.«
         Viktoria
fand seinen Tonfall etwas schulmeisterlich, verzieh ihm aber, denn
nun brannte sie wieder vor Neugier.
         »Woher
kann das Papier mit dem Siegel stammen?«
         »Nun,
ich vermute, es kommt aus dem Lager der Taiping, denn das Papier
scheint schon etwas vergilbt. Wenn Sie es nicht wegwerfen wollen,
dann lassen Sie es immer in Ihrem Zimmer liegen. Und nun, Miss
Virchow, entschuldigen Sie bitte, dass wir uns entfernen möchten.«
         Er
nickte Anette zu, die sogleich den Pavillon verließ. Viktoria
wusste, dass sie nun folgen sollte, damit Nathan nach einer kurzen
Pause ebenfalls unauffällig heraustreten konnte. Aber sie
verzehrte sich danach, mehr zu erfahren.
         »Mr.
Sassoon, Sie sind doch in Shanghai aufgewachsen«, sprudelte es
aus ihr heraus, sobald Anette fort war. »Können Sie mir
sagen, wie Andrew Huntingdon damals verschwand?«
         Nathan
musterte sie mit einem kurzen, scharfen Blick.
         »Ich
war noch ein Kind. Aber ich hörte Gerüchte. Es heißt,
er sei nach Nanking gegangen, damals, als die Taiping die Stadt in
ihrer Gewalt hatten.«
         Viktoria
wurde vor Aufregung fast schwindelig.
         »Und
er kehrte nie zurück, das habe ich auch gehört. Wenn er nun
aber doch zurückkehrte, was kann dann aus ihm geworden sein?«
         Plötzlich
ergriff Nathan ihren Arm.
         »Miss
Virchow«, murmelte er eindringlich. »Wenn er
zurückkehrte, ist er aus gutem Grund untergetaucht. Die
britische Regierung verbot ihren Untertanen jede Einmischung in den
Bürgerkrieg. Später, als die Taiping nach Shanghai
marschierten, halfen alle Europäer der kaiserlichen Armee, sie
zurückzuschlagen. Einem Engländer, der für die Taiping
kämpfte, drohten überall in China Strafen.«
         Viktoria
schüttelte seinen Griff ab, der ihr ungehörig schien.
         »Schon
gut, ich habe verstanden«, meinte sie kühl. Nathan senkte
schuldbewusst den Blick.
         »Ich
wollte nicht grob sein. Aber lassen Sie diese Dinge auf sich beruhen.
Es ist zum Besten aller Beteiligten. Ich will nicht wissen, woher Sie
diese Papiere haben, aber zeigen Sie sie bitte niemandem mehr.«
         Dann
sah er Viktoria leicht ungeduldig an, bis sie endlich die Pagode
verlassen hatte. Dewei, der bei dem Gespräch stumm gelauscht
hatte, lief ihr gehorsam hinterher. Gemeinsam mit Anette spazierten
sie zum Ende des Parks, wo ihre Wege sich trennten.
         Viktoria
beschloss, ein wenig in der internationalen Siedlung herumzulaufen.
Sie musste sich beruhigen, denn ihr Atem raste. Vermutlich hatte
Nathan Recht. Sie sollte nicht weiter in Geheimnissen wühlen,
die sie nichts angingen.
         »Da
Shikai!«, hörte sie plötzlich eine vertraute
Kinderstimme. Verwirrt blickte sie zu Dewei hinab.
         »Shikai
wartet«, erklärte er ungeduldig und wies auf die
Jinrikscha.
         Viktoria
verstand nicht, warum die Freude, dass Dewei seine ersten englischen
Worte gesprochen hatte, sie sämtliche Papiere und Rätsel
vergessen ließ. Sie drückte seine Hand.
         »Wir
fahren jetzt ein bisschen herum und essen irgendwo

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