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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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bleiben«, entgegnete sie
empört. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass es
tatsächlich so war. Dieses Land war noch zu fremd, um ein
Zuhause sein zu können. Aber es hatte sie durch eben diese
Fremdheit bezaubert. Bereits nach einem Jahr wieder nach Hamburg
zurückzukehren wäre einer Kapitulation gleichgekommen.
         Ein
zufriedenes Lächeln huschte über Margarets lebendige
Gesichtshälfte.
         »Wenn
dem wirklich so ist, dann kann ich vielleicht etwas für Sie
tun«, meinte sie leise. Viktoria blickte auf. Ihre weinerliche
Stimmung schwang schlagartig um.
         »Wenn
Sie mit Ihrem Sohn reden, dann …«
         Margaret
schüttelte den Kopf.
         »Es
gibt einige Gründe, warum mein Sohn Robert kein Verständnis
für Verliebte und ihre Verstöße gegen die
gesellschaftliche Ordnung hat«, meinte sie nur. »Aber ich
habe hier in Shanghai noch einige Kontakte. Leider wird die
Geschichte mit Anette Desmoulins Wellen schlagen. Bei den angesehenen
Familien der Stadt werden Sie dadurch wohl einen schlechten Ruf
bekommen.«
         Viktoria
nahm das resigniert zur Kenntnis. Sie verfügte allem Anschein
nach über eine besondere Begabung, ihren Ruf im Handumdrehen zu
ruinieren.
         »Es
gäbe natürlich noch andere Leute, die eine junge, hübsche
Frau beschäftigen würden«, fuhr Margaret fort. »Aber
in einer Hafenspelunke als Kellnerin zu arbeiten scheint mir nicht
die geeignete Tätigkeit für Sie.«
         Viktoria
nickte. Sie dachte an die billigen Lokale, wo sie in Hamburg hatte
essen müssen, und schüttelte sich. Margaret nahm unbeirrt
einen Schluck Tee.
         »Ich
kenne auch die Sassoons. Mein James arbeitete eine Weile für
diese Familie. Ich habe eine Nachricht von Elias David, ihrem
Geschäftsführer in Shanghai, erhalten. Er mag Nathan, war
seiner Romanze mit einer christlichen Französin nicht so
abgeneigt wie der Rest der Familie. Auf seine Bitte hin hat er sich
bereits nach einer Möglichkeit umgehört, wie Sie weiter
beschäftigt werden könnten, falls Robert Sie entlässt.«
         Viktoria
staunte. In den letzten Stunden hatte sie Anette und ihren Nathan
wegen jener Selbstsucht verflucht, die Verliebten wohl eigen war.
         »Im
Unterschied zu früher sind die Chinesen heute gewillter, sich
westlichen Einflüssen zu öffnen«, redete Margaret
sogleich weiter. »Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit
für Sie, als Lehrerin im Haushalt eines reichen Chinesen zu
arbeiten: In Peking. Aber bitte bedenken Sie, Miss Virchow, dort gibt
es ein paar Gesandtschaften, aber keine internationale Siedlung. Sie
wären sozusagen mitten im wahren China, müssten die Sprache
lernen, um überhaupt mit jemandem reden zu können, denn Sie
hätten nur Umgang mit Chinesen.«
         Viktoria
lehnte sich zurück. Sie empfand keine Erleichterung, sogar ein
wenig Furcht, doch das Gefühl völliger Hoffnungslosigkeit
war verflogen.
         »Könnte
ich Dewei mitnehmen?«, fragte sie nur. Margaret nickte.
         »Ein
chinesischer Junge in einem chinesischen Haus dürfte kein
Problem sein.«
         »Na
dann.«
         Viktoria
stand auf.
         »Ich
danke Ihnen, Mrs. Huntingdon. Könnte ich mich jetzt noch eine
Weile hinlegen, denn ich habe heute Nacht kaum geschlafen und muss
ein bisschen nachdenken.«
         Margaret
entließ sie mit einer kurzen Handbewegung. Viktoria schob Dewei
vor sich her, als sie aus dem Zimmer ging.
         »Kleiner
Freund, es wird Zeit, dass du mir ein bisschen Chinesisch
beibringst«, meinte sie auf dem Weg in ihr Zimmer.

    ******

         Zwei
Monate später waren ihre Sachen gepackt. Vor dem Haus der
Huntingdons wartete eine Sänfte, die sie nach Peking zu dem
Mandarin Lao Tengfei tragen sollte. Viktoria hatte wieder einmal auf
ihr Korsett verzichtet, denn ihr stand eine lange Reise bevor. In
ihren Paletot gehüllt stieg sie mit Dewei die Stufen hinab, um
Abschied von den Huntingdons zu nehmen, die tatsächlich alle im
Salon versammelt waren.
         »Ich
hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich einlassen, Miss Virchow«,
meinte Robert kurz. »Wenn Sie in Schwierigkeiten geraten,
wenden Sie sich an die britische oder die deutsche Gesandtschaft. Man
wird Ihnen eine Rückreise nach Shanghai ermöglichen, denn
es würde dem Ansehen unserer Zivilisation schaden, wenn eine
weiße Frau in China mittellos auf der Straße endet.«
         Obwohl
sie wieder einmal den Tonfall nicht mochte, in dem er zu ihr sprach,
war sie

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