Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Händler. Wäre
es verboten, wie einige Kaiser Chinas es sich wünschten, so
würde es illegal verkauft werden. Also mag man darüber
streiten, ob den Briten wirklich ein Vorwurf zu machen ist. Doch wir
Deutschen haben kein Opium zu liefern.«
Viktoria
bohrte ein weiteres Stück aus köstlich weichem Kuchenteig
auf ihre Gabel.
»Und
was können wir liefern?«, fragte sie, bevor sie zu kauen
begann.
Max
von Brandt lächelte zufrieden.
»Es
freut mich, Ihr Interesse geweckt zu haben. Ich befinde mich derzeit
in Verhandlungen mit dem General Li Hongzhang. Er wünscht
Waffenlieferungen und deutsche Offiziere als militärische
Ausbilder. Aber in China geht so etwas immer sehr langsam voran.
Aufgrund der vielen Höflichkeitsfloskeln ziehen sich die
Gespräche endlos hin. Wir haben mit harter Konkurrenz seitens
der Franzosen und Briten zu kämpfen, die natürlich auch auf
derartige Geschäfte erpicht sind. Es ist daher sehr wichtig,
dass wir Deutschen höflich bleiben, nicht herrisch auftreten.
Dominante, wüste Verhaltensweisen sind den Chinesen von den
Engländern und Franzosen bereits bekannt. Sie stoßen auf
Missfallen. Wir haben unseren Ruf noch nicht ruiniert.«
Er
lachte kurz auf. Viktoria fiel Lao Tengfeis Bemerkung ein. Daher also
hatte er das Benehmen der Deutschen gelobt!
»Nun,
wenn die Chinesen unsere Waffen wollen, dann können wir sie
ihnen natürlich verkaufen«, meinte sie ohne echtes
Interesse.
»Ganz
recht, ganz recht. Ich sehe, der Kuchen schmeckt Ihnen«, sagte
Max von Brandt. »Der Mandarin Lao Tengfei ist ein enger
Vertrauter des Generals, mit dem ich verhandele. Überzeugen Sie
ihn, dass wir Deutschen ein vertrauenswürdiges Volk sind.«
Viktoria
blickte staunend auf.
»Ich
werde mein Bestes geben«, versicherte sie mit einer gewissen
Ratlosigkeit, wie sie dies anstellen sollte.
»Das
freut mich, Fräulein Virchow. Ich würde Sie gern zu einigen
Empfängen der Gesandtschaft einladen, damit Sie sich hier in
Peking nicht so allein fühlen. Dabei wird natürlich immer
europäisches Essen serviert, wie etwa dieser Marmorkuchen.«
Viktoria
kicherte.
»Dieser
Versuchung kann auch eine aufrechte Europäerin nicht
widerstehen«, meinte sie und tauschte ein Lächeln mit dem
Gesandten.
»Der
Mandarin hat Sie im Hof seiner Frauen untergebracht, den sogenannten
inneren Gemächern?«, fragte er nach einer kurzen Pause.
Viktoria nickte.
»Nun.«
Max von Brandt rieb sich die Nasenwurzel. »Das … das
könnte als unpassend angesehen werden.«
Jetzt
sprudelte das Lachen aus Viktorias Kehle. Lao Tengfei war einen
halben Kopf kleiner als sie. Sie konnte nicht einmal beurteilen, ob
er ein weibliches Wesen in ihr sah oder eine zu groß und zu
plump geratene, aus Übersee angeschwemmte Kreatur von
undefinierbarem Geschlecht.
»Wo
soll er mich denn sonst unterbringen? In seiner unmittelbaren Nähe?«,
fragte sie kichernd.
Max
von Brandt wog den Kopf hin und her, dann gab er nach.
»Da
haben Sie wohl Recht. Es war auf jeden Fall ein Vergnügen, Ihre
Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe, Sie bald wieder hier in der
Gesandtschaft zu sehen.«
Viktoria
wurde klar, dass ihr Besuch nun zu Ende gehen sollte, denn die Zeit
eines Gesandten war knapp bemessen. Sie stand auf, streckte ihm ihre
Hand zum Abschied entgegen.
»Welch
ungewöhnliches Schmuckstück!«, entfuhr es Max von
Brandt auf einmal. Viktoria begriff nicht sogleich, dass er den
Drachenreif meinte.
»Sehr
alt, würde ich sagen. Vielleicht aus der Tang-Zeit«,
rätselte der Gesandte weiter. »Woher haben Sie es?«
Viktoria
überkam Ratlosigkeit.
»Es
war ein Geschenk. Ich weiß nicht, woher es genau stammt«,
gestand sie.
Max
von Brandts Augen funkelten.
»Ich
sammele chinesische Kunst«, erklärte er das Mobiliar
seines Empfangszimmers. »Wenn Sie eine Quelle wüssten, wo
derartiger Schmuck zu beziehen ist …«
»Ich
kenne sie leider nicht«, erwiderte Viktoria schulterzuckend.
Der Gesandte nahm es hin. Sie verabschiedeten sich mit den üblichen
Höflichkeitsfloskeln. Viktoria hatte das erleichternde Gefühl,
keinen allzu schlechten Eindruck hinterlassen zu haben, und empfand
es als durchaus beruhigend, diesen klugen, energischen Landsmann hier
in der fremden Stadt zu wissen.
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Die
Sänfte trug
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