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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Raum. Bereits als ich dieses Gebäude zum ersten Mal
betreten habe, war es dort, wo es jetzt noch ist. Ich habe nie danach gefragt.
Sicher, es mag ein schönes Werk sein. Aber es scheint trotzdem keinem Menschen
sonderlich aufgefallen zu sein.«
    »Also wissen Sie auch nicht, ob dieses Mädchen auf dem Gemälde
lebt? Oder jemals gelebt hat?«
    »Leider nicht. Ich kenne weder den Künstler noch sein Modell.«
    »Na ja, es ist ja auch nicht so wichtig«, meinte Bernina, nun
wieder betont beiläufig.
    »So, so. Also nicht so wichtig. Mir können Sie doch nichts
vormachen, meine Liebe. Ich weiß nicht, weshalb, aber für Sie ist dieses
Gemälde durchaus von Bedeutung. Mir scheint nur, Sie wissen selbst nicht, aus
welchem Grund das so ist. Oder täusche ich mich?«
    Bernina kapitulierte mit einem Lächeln. »Irgendwie schon.«
    »Irgendwie?« Helene lachte, aber nicht mehr herausfordernd,
sondern mit nettem Klang. »Wenn Sie etwas loswerden möchten – ich leihe
Ihnen immer gern mein Ohr. Falls Sie noch andere Fragen haben, ich bin für Sie
da. Aber wenn Sie wirklich mehr über das Gemälde und seinen Ursprung erfahren
wollen, sollten Sie lieber mit dem Oberst sprechen.« Die Gräfin nickte ihr zu.
»Das Bild hing, wie gesagt, bereits in dem Zimmer, als mein Gatte Schloss
Wasserhain von den Falkenbergs erwarb.«
    »Ja, das werde ich wohl tun«, entgegnete Bernina und blickte an
Helene vorbei aus dem Fenster. Wirst du das tatsächlich tun?, fragte sie sich
in Gedanken selbst.
    »Oder kann es sein«, hakte die Gräfin nach, »dass Sie Falkenberg
aus dem Weg gehen? Und er auch nicht gerade unter allen Umständen versucht, das
Wort an Sie zu richten? Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass Sie
sich … nun ja, dass Sie sich im Auge behalten.«
    »Schon möglich«, erwiderte Bernina knapp.
    Helene sah sie aufmerksam an. »Bisher habe
ich es nicht erwähnt, aber offen gesagt, ist niemandem so richtig klar
geworden, in welchem Verhältnis ihr beide eigentlich zueinander steht.«
    »In gar keinem Verhältnis.« Diesmal kam die Antwort sehr schnell.
    »Aber ohne ihn wären Sie jetzt nicht hier. Ist das nicht so?«
    Widerstrebend nickte Bernina. »Ich erzählte Ihnen ja von Anselmo.«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Durch den Oberst hoffte ich Anselmo wiederzufinden.«
    »Auch das erwähnten Sie, Bernina. Und doch erklärt es nicht ganz
das, was ich eigentlich wissen wollte.« Sie schien genau abzuwägen, welche
Worte sie wählen sollte. »Ich fürchte, es ist Ihnen gar nicht bewusst, meine
Liebe, als was Sie hier zuerst betrachtet wurden?«
    Bernina blickte sie schweigend an, ganz ernst, die Lippen zu einer
dünnen Linie geschlossen.
    »Die Andeutungen des Obersts waren so, dass man nicht anders
konnte, als anzunehmen, Sie seien eine Art Mätresse.«
    Berninas Wangen färbten sich rot. Sie schämte sich nicht nur, sie
ärgerte sich – über sich selbst, über ihre Gedankenlosigkeit, nicht von
sich aus auf so etwas gekommen zu sein.
    »Ich bin keine Mätresse«, war alles, was sie hervorbrachte.
    »Oh, keine Sorge, davon bin ich überzeugt. Und inzwischen auch
alle anderen.«
    »Inzwischen?«
    »Ja, selbst die Dienerschaft hat über Sie getuschelt.«
    Bernina schalt sich selbst als naiv.
    »Mir hingegen«, sprach Helene weiter, »kam die ganze Sache von
Anfang an mehr als sonderbar vor. Sie schlossen sich in Ihrem Zimmer ein, und
der Oberst machte einen großen Bogen um Sie. Obwohl er Sie doch zuerst als
seine Begleitung angekündigt hatte.«
    »Seine Begleitung?«, wiederholte Bernina leise.
    »Ja, und das hat für Aufsehen gesorgt, glauben Sie mir. Bei mir,
bei meinem Gatten, bei unseren Gästen. Denn der Oberst wurde schon von vielen
jungen Damen gejagt. Und jagt seinerseits auch sehr gern. Aber dass er jemanden
als Begleitung ankündigt – das ist noch nie vorgekommen.«
    »Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht.«
    »Meiner Meinung nach war es Ihre tiefe Trauer, meine Liebe, die
Jakob von Falkenberg überrascht hat. Ich meine, nicht nur dass Sie trauerten,
sondern wie sehr Sie die schlimme Nachricht mitnahm, die Sie erreichte –
das hatte er irgendwie nicht erwartet. Und seitdem weiß er nicht, wie er sich
Ihnen gegenüber verhalten soll.« Helene lachte leise auf. »Verzeihen Sie, aber
auch das ist noch nie vorgekommen: Jakob von Falkenberg weiß nicht, wie er sich
verhalten soll.«
    »Ich bin so gleichgültig gewesen«, sagte Bernina. »Mir war mein
Verhalten gar nicht bewusst.«
    »Und als der Oberst

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