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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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gesorgt, dass du es erfährst. Weil du mir in großer
Not geholfen hast, habe ich nun dir geholfen. Und weil unsere Gruppe damals
nicht gerecht zu dir war. Heute weiß ich das. Deshalb habe ich es für dich
getan. Für dich und Anselmo.«
    Auch wenn sie ihn schon wieder in Verlegenheit brachte – sie
musste ihn einfach noch einmal umarmen.
    »Und nun«, meinte Eusebio, »werde ich dich zu ihm bringen.«
    Sie erhoben sich beide, traten an die Pferde heran und lösten die
Zügel vom Ast der Kiefer. Nach wie vor war es heiß, die Sonne brannte auf der
Haut. Bernina hatte noch den Klang von Eusebios Worten im Ohr, als ein
plötzlicher Laut sie aus ihren Gedanken riss. Eine Stimme.
    Eine fremde Stimme, die ein einziges Wort brüllte, ein Wort, das
die Stille des Augenblicks durchbrach wie ein Musketenschuss: »Jetzt!«
    Und als sie aufsah, durchzuckte ein eiskalter Schauer Berninas
Körper.
    Es waren fünf oder sechs Gestalten.
    Nicht beritten, aber bewaffnet, mit Musketen und Degen. Sie trugen
große Hüte und derbe Stiefel. Und sie waren schnell, sehr schnell. Als würden
sie schweben, überwanden sie den Waldboden.
    »Schnell, Bernina, auf die Pferde!«, rief Eusebio.
    Eine Hand an den Zügeln, die andere in die
Mähne des Pferdes gekrallt, zog sich Bernina in den Sattel. Was sie als
Nächstes sah, ließ sie erstarren. Es war, als erleide sie selbst den Schmerz,
den Eusebio erleiden musste, als ihn ein Degen erfasste. Die im Sonnenlicht
aufschimmernde Klinge drang in dem Moment in seinen Rücken ein, als er sich
aufs Pferd schwingen wollte.
    Sein Gesicht verzerrte sich auf beinahe unnatürliche Weise und
seine Qual entlud sich in einem schauderhaften Aufschrei, den Bernina wiederum
körperlich zu fühlen meinte. Die Spitze des Degens schob sich aus Eusebios
Brust, nicht mehr mit silbernem Glanz, sondern tiefrot. Blut spritzte aus der
Wunde, tropfte vom Stahl der Klinge. Eusebio sank auf die Knie, seine Züge
nicht mehr verzerrt, sondern auf einmal seltsam glatt und weich.
    Plötzlich sah Bernina ihn nicht mehr. Starke Hände hatten ihre
Arme gepackt. Sie wurde aus dem Sattel gerissen und mit einem einzigen
mühelosen Schwung auf den erdigen Waldboden geworfen. Erneut griffen Hände nach
ihren Armen, um sie niederzudrücken.
    Hilflos auf die Erde gepresst, starrte sie in die Gesichter der
Männer, die so blitzartig über sie und Eusebio hergefallen waren. Von Wind und
Sonne zerfurchte, unrasierte Visagen mit gefühllosen Augen.
    Wie konnte Falkenberg nur so grausam gewesen sein und den Befehl
gegeben haben, Eusebio zu töten – sie konnte das einfach nicht glauben, es
setzte ihr mehr zu als ihre eigene ungewisse Lage. Sie warf den Kopf hin und
her, versuchte Falkenberg zu erblicken, um ihm all ihren Zorn
entgegenzubrüllen. Doch er tauchte nirgendwo auf.
    »Lasst sie los«, sagte einer der Soldaten. »Sie wird nicht so dumm
sein und versuchen abzuhauen.«
    »Nein, haltet sie fest, bis er da ist.«
    Bernina roch den Schweiß der Soldaten und das Leder eines
Brustpanzers. Sie warf einen verzweifelten Blick auf die flach daliegende Gestalt
Eusebios, doch sofort musste sie ihre Augen wieder abwenden.
    »Einer soll aufbrechen und ihn holen«, rief einer der Soldaten,
die Bernina festhielten. Während sie sich schon innerlich auf den Anblick
Falkenbergs einstellte, fiel ihr auf, dass etwas an diesen Soldaten anders war.
Ihre Kleidung war schmutzig und an vielen Stellen geflickt. Das war nicht die
saubere, akkurate Truppe, die Schloss Wasserhain bewacht und seit vielen Wochen
in keinem Gefecht mehr gekämpft hatte.
    Voller Entsetzen wurde Bernina klar, dass das andere Männer sein
mussten. Sie waren zwar gekleidet wie Soldaten, zu Falkenberg allerdings
konnten sie auf keinen Fall gehören.
    Aber zu wem dann? Woher kamen sie?
    »Einer soll endlich losgehen und den Grafen herholen«, forderte
der Soldat wieder. »Ich habe mittlerweile keine Lust mehr, das Weib
festzuhalten.«
    Welcher Graf?, hämmerte es in Berninas Kopf. Sie presste die
Lippen hart aufeinander und zwang sich, nicht mehr zu Eusebio hinüberzusehen.
    »Wie ich dich kenne«, meinte einer der anderen zu dem Soldaten,
»würdest du mit der hübschen Maus lieber was ganz anderes machen.«
    »Du weißt genau, das würde mich den Kopf kosten.«
    »Haltet eure Klappen«, meldete sich wiederum ein anderer der
Männer zu Wort. »Der Graf kommt.«
    Hufgetrappel erklang. Bernina sah, wie Reiter zwischen den Bäumen
auftauchten, die einen gleichermaßen abgerissenen

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