Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
Vom Netzwerk:
Geld mit auf den Weg. Falls man mich nicht zu dir lassen
würde, sollte ich einen der Palastdiener bestechen, damit der dir den Brief
überbringt.«
    Poppel wusste nichts davon, machte sich Bernina bei diesen Worten
bewusst, dass Falkenberg ihr erklärt hatte, Anselmo wäre tot. Schließlich hatte
der Arzt lange vorher den Palast verlassen. Doch offenbar hatte er das richtige
Gespür für die Situation gehabt. Deshalb diese genauen Überlegungen, wie
Eusebio sich Schloss Wasserhain nähern sollte. Und sie kam endgültig zu dem
Schluss, dass Poppel dem Oberst nicht traute. Jedenfalls nicht, wenn es um sie
ging. Dieser Arzt war in der Tat ein bemerkenswerter Mensch. Poppels
eindringliche Worte, kurz bevor sie ihn das letzte Mal sah, kamen ihr wieder in
Erinnerung. Die ganze Zeit über hatte sie seine Warnungen verdrängt. Erst gab
es für sie nur das Hoffen darauf, der Oberst würde Anselmo finden. Dann auf
einmal der Schock angesichts der schlimmsten aller Nachrichten. Und dann?
    Sie hatte sich einfach treiben lassen. Sich einer seltsamen
Illusion hingegeben, sich umschwärmen lassen. Es war ein Trugbild gewesen, auf
das sie hereingefallen war. Hatte der Oberst sie damals absichtlich angelogen,
als er ihr mitteilte, Anselmo wäre gestorben? Hatte er so gemein, so
selbstsüchtig sein können? Und woher hatte er den Ring? Woher wusste er, dass
sie das Schmuckstück wiedererkennen würde? Es lag noch so viel im Dunkeln, und
womöglich war Falkenberg selbst nur einem Irrtum aufgesessen. Sie durfte ihn
nicht verurteilen. Unwillkürlich musste Bernina an den Brief mit dem Schwert
und der Blume denken. Hing auch das plötzliche Verschwinden dieses Schreibens
mit dem Oberst zusammen?
    Nur ein Gespräch mit Falkenberg würde darüber Aufschluss geben,
doch Bernina hatte auf ihre Gefühle vertraut und auf ihre Instinkte. Sie hatte
die Flucht angetreten, als sich die Chance dazu bot. Ob das wirklich richtig
war, wusste sie nicht. Klar war für sie nur, dass sie damals auf Melchert
Poppel hätte hören sollen.
    »Du siehst müde aus«, sagte Eusebio mit sanfter Stimme zu ihr.
    »Das bin ich nicht.« Sie lächelte. »Ich war nur gerade in Gedanken
vertieft. Aber ich bitte dich, Eusebio, berichte weiter, was sich zugetragen
hat.«
    »Nichts Erfreuliches. Nachdem ich Offenburg verlassen hatte, kam
ich gut voran. Ich mied die Hauptstraßen und die Menschen. Poppel hatte mir
eine Karte aufgezeichnet, wie ich zu Schloss Wasserhain gelangen konnte. Alles
lief gut. Ich war schon fast am Ziel und ritt durch einen Wald, nicht weit
entfernt vom Schloss.«
    »Und?«
    »Ein Überfall.«
    »Um Gottes willen«
    »Hinterhältige Strauchdiebe. Vier oder Fünf.« Eusebio schüttelte
zornig den Kopf. »Plötzlich tauchten sie zwischen den Bäumen auf und fielen
über mich her. Sie zogen mich vom Pferd, traten mich, schlugen mit einem
Knüppel auf mich ein.« Als er seinen Kopf nach vorn beugte, sah Bernina das
verkrustete Blut unter seinem Haar. »Sie zogen mir die Jacke vom Körper,
schlitzten meine Kleidung auf, um versteckte Taschen zu finden. Alles haben sie
mir geklaut. Das Geld, Poppels Brief an dich, das Pferd, die Essensvorräte.
Sogar die Schuhe zerrten sie mir von den Füßen.« Er machte eine kurze Pause.
»Tja, und dann stand ich da und grübelte, ob ich zum Palast vordringen sollte.
Zuerst wollte ich einfach die Wahrheit sagen und von dem Überfall berichten.
Dann aber dachte ich mir, einem Kerl mit dunkler Haut und zerfetzter Kleidung
wird sowieso niemand ein Wort glauben. Und so beobachtete ich den Palast und
hoffte auf eine Möglichkeit, dich irgendwie ansprechen zu können.«
    Bernina sah ihn an. »Du hast viel auf dich genommen. Sogar sehr
viel. Beinahe hätte es dich dein Leben gekostet.« Sie rückte näher an ihn heran
und legte kurz die Arme um seine Schultern. »Ich wünschte, ich könnte dir
sagen, wie viel mir das bedeutet. Ich danke dir. Ich danke dir so sehr.«
    Verlegen wich er ihrem Blick aus. »Weißt du, ich wollte etwas
gutmachen. Der Arzt hat mir gesagt, er würde alles für dich tun. Du bist einer
der wenigen Menschen, die eine reine Seele haben. So hat er sich ausgedrückt.
Er wollte nicht, dass du auf Schloss Wasserhain bleibst. Oder in der Nähe
dieses Obersts. Er gebrauchte nicht genau diese Worte, aber jetzt bin ich
überzeugt davon, dass es ihm auch darum ging.«
    »Melchert Poppel war immer sehr gut zu mir.«
    »Bernina muss erfahren, wo Anselmo ist. Das hat Poppel ständig
gesagt. Und ich habe dafür

Weitere Kostenlose Bücher