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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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sie erlebt hatte. Verstand und Intelligenz sprachen
aus seinen Zügen, er hatte etwas von einem Herrscher. Alles in seinem Gesicht
war hart und schroff. Die Wangenknochen, das Kinn, der Unterkiefer, der
lippenlose Mund. Wenn er seinen Hut hin und wieder ein wenig nach oben schob,
sah Bernina die Furchen in der hohen Stirn, wie mit Klingen gezogene Krater in
der weißen Haut.
    Immer weiter ging es in dem rumpelnden Gefährt, das sich
schwerfällig, mit ächzenden Achsen über unwegsames Gelände und durch dichte
Wälder kämpfte. Die Sonne brannte. Die Luft, die Bernina einhüllte, war
stickig. Sie hatte kaum etwas zu essen und nur ein wenig Wasser erhalten. Hinzu
kam, dass sie so gut wie überhaupt nicht geschlafen hatte. Eine bleierne
Erschöpfung machte sich in ihr breit. Und die Ungewissheit nagte weiter an ihr,
ließ sie trotz ihrer Müdigkeit auch jetzt nicht einschlafen.
    So saß sie einfach nur da, die Beine lang auf dem Heu
ausgestreckt, schräg über ihr die viereckige Öffnung in der Tür, durch die sich
Tageslicht und die Geräusche der Reiter ins Innere schoben, das Schnauben der
Pferde, hin und wieder die schnarrenden Stimmen, wenn sich die Männer über den
Weg verständigten.
    Die heisere Stimme des Grafen ertönte nur selten, aber dann war
sie deutlich von den übrigen zu unterscheiden.
    Auf einmal wurde das Tageslicht schwächer. Entweder es zogen
dunkle Wolken auf, mutmaßte Bernina, oder der Wald, den sie durchquerten, wurde
noch dichter. Kurze Zeit später hielt der Wagen mit einem heftigen Ruck.
    Unwillkürlich stand Bernina auf. Ein Gefühl sagte ihr, dass dieser
Halt keine gewöhnliche Rast war, um Wasser zu sich zu nehmen und die Pferde ein
wenig ausruhen zu lassen. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Quietschen.
    Bernina schluckte.
    Einer der Männer winkte ihr mit einer barschen Handbewegung.
»Raus.«
    Sie schob ihren Körper durch die Tür und
sprang vom Wagenrand auf die Erde. Mitten in einem Wald befanden sie sich. Die
Bäume kreisten sie ein und ließen nur über ihren Wipfeln ein kleines Stück vom
nach wie vor wolkenlosen Himmel erkennen.
    Einige der Fremden saßen noch im Sattel, andere standen um den
Wagen herum. Vom Grafen war auf einmal nichts mehr zu sehen. Bernina blickte
von einem zum anderen. Doch keines der Gesichter löste etwas in ihr aus.
    Niemand sagte ein Wort. Langsam drehte Bernina sich um, und erst
dann entdeckte sie das Gebäude, vor dem der Wagen und die Reiter angehalten hatten.
    Eine Festung, eine Burg, ein Domizil, das seinem Verfall
entgegenzusehen schien. Es war, als würde es sich hier verstecken, fast wirkte
es lebendig, wie ein Tier, das sich duckte, das alles dafür tat, im Verborgenen
zu bleiben und genau diesen Platz ganz bewusst gewählt hatte. Es schien dabei
zu sein, sich irgendwie in die Erde zu wühlen, nahezu unauffindbar zu machen in
diesem Gewirr aus dunklen Bäumen.
    Die Festung war nicht grau, nicht schwarz, nicht farblos und doch
auch von keiner bestimmten Farbe. Sie strahlte etwas Bedrohliches aus.
Auffallend die hohe Mauer, die sie schützte, in einem etwas ungleichmäßigen
Quadrat angelegt, eine Mauer, hinter der Wachen auf einem Holzgerüst umhergehen
konnten und über die man zu Türmen gelangte, von denen sich an jeder Ecke einer
befand. Jetzt allerdings war niemand darauf zu entdecken. Die Mauer war von
dunkelgrünem, scheinbar schwarzem Moos bewachsen, das wild und in bizarren
Mustern wucherte.
    Das Festungstor stand offen, ein klaffender Schlund, dessen
Holztore, ebenfalls von Moos bedeckt und von unzähligen Würmern angefressen,
bereits ziemlich schief in ihren stählernen, längst rostigen Haltevorrichtungen
hingen.
    Bernina zuckte erschrocken zusammen, als sich die Hand eines der
Männer schwer auf ihre Schulter legte.
    Er hatte einen langen Spitzbart von kupferner Farbe. Mit seinem
breiten Kinn deutete er auf das Tor.
    Sie verstand, was er meinte, und sie gehorchte wortlos. Langsam
ging sie los, direkt auf den Eingang des bizarren Bauwerks zu. Die Hand des
Mannes löste sich von ihr. Der Gedanke an Flucht, der kurz in ihrem Kopf
herumspukte, erschien angesichts der Reiter lächerlich. Sie hätte nicht die
geringste Chance gehabt. Begleitet von den Männern, die inzwischen alle
abgestiegen waren, durchschritt Bernina das Tor. Im Innenhof blieb sie stehen
und ließ den Blick kreisen. Ein großer Pferdestall, eigentlich nur Stämme, die
ein Dach trugen, das an mehren Stellen Löcher aufwies. Ein Holzschuppen, der
aussah wie eine

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