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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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ein schwarzer Schatten hinter ihm,
gespenstisch, wie aus dem Nichts.
    »Dort!«, schrie Bernina.
    Aber schon vor ihrem Aufschrei hatte der Oberst den Schrecken in
ihren Augen wahrgenommen. Er wirbelte herum und entging damit knapp dem
tödlichen Schlag eines Degens.
    Die beiden Männer standen sich gegenüber, etwa ein Dutzend Stufen
über Bernina, zwei Männer, die sich anstarrten, die sich nur allzu gut kannten.
Der Oberst und der Mann in Schwarz. Das Lodern in ihren Augen, die Art, wie
sich ihre Hände um den Degengriff schlossen.
    »Du bist tatsächlich gekommen, um mich zu töten«, tönte die
heisere Stimme des Grafen. Er löste den Umhang von seinen Schultern und der
Stoff fiel zu Boden.
    »Ja, das bin ich.« Falkenberg klang vollkommen ruhig. »Und ich
hätte schon früher kommen sollen.«
    Ein Moment wie eine Ewigkeit, bevor es losging, dann jedoch
stürmten sie ohne weiteres Zögern aufeinander zu, mit aller Entschlossenheit.
Das Krachen der Klingen war lauter als die Schüsse der anderen Männer,
eindringlicher als deren Wutgebrüll und Todesschreie.
    Wie angewurzelt stand Bernina da. Gebannt folgte ihr Blick jeder
Bewegung der Kämpfer. Der Graf, obwohl viele Jahre älter als Falkenberg, war
gleichermaßen wendig und geschickt. Zwei erfahrene Fechter, denen es darum
ging, Leben auszulöschen. Sie prallten zusammen, verkeilten sich ineinander,
ließen wieder vom anderen ab, um einen neuen Angriff zu starten. Fortwährend
dazu das laute Stakkato der Klingen, das Bernina noch mehr lähmte.
    Eine blitzschnelle Drehung Falkenbergs, der Graf stieß ins Leere,
und noch in seiner Bewegung ertönte ein widerliches Geräusch. Das gleiche
Geräusch, das Bernina bei Eusebios Tod gehört hatte.
    Falkenbergs Klinge hatte seinen Widersacher gefunden.
    Der Graf erzitterte, krümmte sich, schob seinen Rücken gegen die
Mauer, um sich so auf den Beinen halten zu können. Er hatte nicht aufgeschrien,
und sein Gesicht zeigte kein Anzeichen von Schmerz. Doch aus seiner schwarzen
Kleidung strömte das Blut. Seine Wangen wurden noch ein wenig bleicher, noch
ein wenig durchscheinender.
    Falkenberg trat auf ihn zu. Das Blut auf der Klinge seines Degens
schimmerte in einem fast unechten Rot. Blanke Entschlossenheit funkelte in seinem
Blick. Er wollte es beenden, er wollte den Tod dieses Mannes, der sich mit
gekrümmtem Oberkörper an die Mauer drückte.
    Und wieder ging alles ganz schnell, wieder kam es so plötzlich.
Zwei Männer, die die Treppe hinaufstürmten. Einer schoss, doch er verfehlte den
Oberst. Der andere schwang seine Muskete wie eine Keule. Er hatte mehr Erfolg.
Der Kolben der Waffe erwischte Falkenbergs Kopf. Die Wucht des Schlages riss
ihn von den Beinen, sein Hut flog davon.
    Falkenberg lag da. Ohne sich zu rühren. Mit dem Gesicht nach
unten. Sein blondes Haar voller Blut. Bernina hatte sich noch immer nicht
bewegt. Ihr Blick war gefangen von der Gestalt des Obersts, die dann allerdings
verdeckt wurde von weiteren miteinander kämpfenden Männern. Die Verteidiger der
Festung wurden von den nachrückenden Soldaten Falkenbergs die Treppe nach oben
gedrängt, immer weiter, Stufe um Stufe.
    Die Schreie der Verletzten, Klingen, die gegeneinander schlugen,
der dumpfe Laut, wenn Keulen auf Körper trafen. Bernina sah, wie der Graf von
zweien seiner Gefolgsleute gestützt wurde – und dann auf einmal in die
Knie sank. Sie zogen ihn den Flur entlang, weg aus dem Kampfgewirr und auch aus
Berninas Sichtfeld.
    Ihr Blick heftete sich auf einen Mann, der zu dem Grafen gehörte.
Er war es gewesen, der sie durch das Tor der Festung geführt hatte. Sie
erkannte ihn an seinem langen, kupferroten Spitzbart. Eben hatte er einen
Gegner niedergeschlagen und nun eilte er die Treppe nach oben, genau auf
Bernina zu. Dicht hinter ihm tauchte die massige Gestalt des Riesen auf. Auch
dessen Augen hatten Bernina entdeckt, auch er rannte in ihre Richtung.
    Endlich gelang es ihr, sich von ihrer Starre zu befreien. Sie
glitt durch die Tür nach draußen auf das Holzgerüst, von dem man über die Mauer
hinweg in den Wald sehen konnte. Die Luft, die ihr entgegenschwappte, war warm,
und für einen kurzen Moment wurde sie von der Sonne geblendet. Sie rannte das
Gerüst entlang, auf einen ganz bestimmten Punkt zu, der ihr vom Turmzimmer aus
aufgefallen war.
    Aber auf den groben Holzbrettern erklangen gleich darauf schwere
Schritte, die ihr folgten.
    Bernina spähte rasch über ihre Schulter – der Mann mit dem
Spitzbart und der Riese.
    Sie

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