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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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der Glatze
den Übrigen. »Sie hatte keine Ahnung, wohin sie sollte.«
    »Das hast du gut gemacht, Johann«, lobte die
Mutter des Jungen den Mann, der Bernina sanft zu einem freien Platz schob.
    »Setz dich«, raunte er ihr zu. »Es ist nicht bequem, aber dieser
Ort kann uns allen das Leben retten.«
    Sie tat, was er sagte, und beobachtete, wie er selbst bei dem
Jungen Platz nahm und seinen Arm um dessen zierliche Schultern legte.
    Dann gab es bloß noch Schweigen, eine merkwürdige Ruhe, die die
Gerüche nur stärker zu machen schien und überlagert wurde von den gedämpft zu
ihnen dringenden Musketenschüssen. Bernina saß einfach da, fühlte, wie sich
Schweiß auf ihrer Haut sammelte und die Luft, die sie einatmete, zusehends
knapper wurde. Sie dachte an Anselmo. Immer und immer wieder, unentwegt. Und
auch an die anderen der Gaukler-Gruppe, sogar an Rosa, deren wütende Blicke ihr
nach wie vor allzu gegenwärtig waren.
    Irgendwann begannen sich die Leute in dem Erdloch dann doch zu
unterhalten, ganz leise, als könnte jede Silbe sie und ihr Versteck verraten,
und Bernina umriss in knappen Worten, wer sie war und zu wem sie gehörte. Sie
erkundigte sich nach ihren Freunden, aber niemand hatte eine Ahnung, wo die
Gaukler sein könnten.
    Während über ihren Köpfen Kämpfe tobten, erfuhr Bernina, dass
Johann Brunner und seine Familie schon vor mehr als einem halben Jahr, als man
sich in Ippenheim erstmals möglicher Angriffe ausgesetzt sah, begonnen hatten,
das Versteck in die nackte Erde zu wühlen.
    »Wir haben gemeinsam mit unseren Nachbarn zwei Wochen fast
ununterbrochen daran gearbeitet«, berichtete er. »Und dann meinten alle, die
Arbeit wäre umsonst gewesen. Der Krieg würde einen Bogen um uns machen.
Monatelang herrschte Ruhe in unserer Stadt, aber jetzt sind wir auf einmal sehr
froh, dass wir uns damals die Mühe gemacht haben.«
    »Eine ungewöhnliche, aber wirksame Maßnahme«, lobte Bernina. »Wie
sind Sie auf diese Idee gekommen?«
    Brunner winkte im Schein der kleiner werdenden Kerze ab. »Das war
nicht unser Einfall. Seit dieser unselige Krieg angefangen hat, wurden etliche
solcher Löcher gegraben. Wir hörten immer öfter davon. Man sagt, in
wohlhabenden Orten haben sich im Laufe der Kriegsjahre regelrechte Labyrinthe
unter der Erde entwickelt. Viele Leute in Ippenheim trafen ähnliche
Vorkehrungen wie wir. Nicht nur um Leib und Leben der eigenen Familie zu
schützen, sondern auch haltbar gemachte Speisen und natürlich Wertgegenstände
zu retten.«
    »Wir sind nicht reich«, erklärte seine Frau weiter. »Aber wir
haben einen Sohn, an den wir denken müssen. Und man hört ja auch ständig, was
die Soldaten mit den Frauen machen, wenn sie ihrer habhaft werden können.«
    »Umso mehr muss ich mich bei Ihnen allen bedanken«, nutzte Bernina
die Gelegenheit, um zum Ausdruck zu bringen, wie froh sie inzwischen über das
Erscheinen Johann Brunners war. »Ohne Sie würde ich noch durch die Straßen
irren. Wer weiß, was geschehen wäre.«
    Beifälliges Gemurmel. Einige nickten stumm, andere bekreuzigten
sich.
    »Ja«, sagte Frau Brunner mit bitterem Gesichtsausdruck. »Dieser
Krieg mag zwar zwischen den Reichen und Mächtigen geführt werden, aber wie
immer wird er auf dem Rücken der Armen ausgetragen. Nie zuvor hat die einfache
Bevölkerung so sehr unter einem Krieg leiden müssen. Niemals!«
    »Das ist richtig«, pflichtete ihr nun Johann Brunner bei. »Und
dabei hatten wir lange noch Glück. Andere Städte hat es gleich mehrmals
getroffen. Immer wieder Soldatenheere, die in den Straßen wüteten. Ippenheim
ist bisher verschont worden.«
    »Dafür erwischt es uns nun umso heftiger«, nahm seine Frau den
Faden wieder auf. »Und übrigens: Verschont kann man auch nicht gerade sagen.
Erinnert ihr euch noch an diese bösartige Schar, diese Räuber, die vor einigen
Monaten Höfe plünderten? Sie übertrafen in ihrer Grausamkeit sogar viele
Söldner.«
    »Und ob wir uns erinnern«, ertönte es.
Wiederum bekreuzigten sich ein paar dieser sichtlich von den Ereignissen der
Zeit gezeichneten Menschen.
    Der Sohn der Brunners sah keck auf. »Diese
Räuber, die von dem bösen Mann angeführt wurden? Der ganz in Schwarz gekleidet
war? Von dem ihr gesagt habt, er hat die Augen des Satans?«
    Bernina horchte auf einmal ganz besonders
konzentriert auf.
    »Ja, mein Sohn«, sagte Herr Brunner. »Die
meinen wir. Aber eigentlich hatte ich gehofft, wenigstens du hättest sie
vergessen.«
    »Die kann man nicht vergessen«,

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