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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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hatte dieser Hof einmal als Zugang zu einem Kloster gedient, in dessen Kellern heute Legionen von Ratten quietschend ihre Kämpfe austrugen. Lady Audley schauderte, als sie aus der Kutsche stieg und sich in diesem düsteren Hof umsah.
    Der Kutscher läutete die Glocke, woraufhin eine schmale hölzerne Pforte neben dem Tor geöffnet wurde. Ein grauhaariger Mann schaute durch ein Fensterchen heraus, blickte zu der Kutsche und zog sich dann wieder zurück, um die Schlüssel für die Tür zu holen.
    Sir Michael Audleys sündhafte Frau legte mit einem Mal ihre Hand auf Roberts Arm. „Ich weiß, wohin Sie mich gebracht haben“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. „Das ist ein Irrenhaus.“
    „Es ist eine Heilanstalt, Mylady“, antwortete der junge Mann. „Ich habe keineswegs die Absicht, Sie zu täuschen oder zu betrügen.“ Er beugte sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Ihr Name ist hier Madame Taylor. Ich nehme nicht an, dass Sie unter Ihrem wirklichen Namen, welcher auch immer das sein mag, bekannt sein wollen.“
    Als Antwort schüttelte sie nur den Kopf und hielt die Hände vor ihr Gesicht.
    „Sie werden eine Dienerin haben, die nur Ihnen zu Diensten sein wird“, bemerkte er. „Soweit möglich, wird Ihnen ein gewisser Komfort zustehen.“
    „Sie haben mich in mein Grab gebracht, Mr Audley“, rief Lady Audley plötzlich heftig aus. „Sie haben Ihre Macht in hinterhältiger und grausamer Weise ausgenutzt und mich lebendig begraben.“ Ihre Stimme überschlug sich, gellte schrill über den Hof in die einbrechende Nacht ­hinaus. „Ich will meinen Mann sprechen! Ich will sofort Sir Michael sehen!“ Sie fuhr herum, als erwarte sie den Baron irgendwo im Hof zu sehen. Doch der Mann, dem sie eine falsche Frau gewesen war, war nirgends zu sehen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Lady Audley Robert an. „Hat mir meine Schönheit das hier eingebracht? Ist sie schuld?“, schrie sie.
    „Sie haben getötet, Madame. Diese Strafe hier“, er wies zu dem alten Gemäuer, „ist eine milde. – Doch sagen Sie mir, wo ich meinen Freund George finden kann, um ihn in christlicher Würde zu begraben! Es wird Ihrer Seele ­helfen, glauben Sie mir.“
    „Seele? Welche Seele?“ Sie lachte irr auf. „Er stand mir gegenüber, so wie Sie es jetzt tun“, sagte sie mit einem ­siegessicheren Lächeln, denn sie wusste, dass Robert ­Audley seinen Frieden suchte und sie die Macht hatte, ihm selbigen zu verweigern. „Sie sagten damals, Sie würden Audley Court dem Erdboden gleichmachen und jeden Baum im Garten entwurzeln, um Ihren toten Freund ­aufzuspüren.“ Sie lachte erneut. „Es wäre gar nicht ­notwendig gewesen, das alles zu tun.“
    Robert nahm ihre zarten Schultern und schüttelte die Frau, die immer weiter lachte. „Wo ist George?“, schrie er ihr ins Gesicht. Von der Heftigkeit seiner eigenen Gefühle erschreckt, ließ Robert die Frau los.
    Sie lächelte ihm ins Gesicht, als wäre nichts gewesen. Dann sagte sie leise. „Ich werde Ihnen zeigen, dass ich ein guter Mensch bin, Robert Audley: Der Leichnam von George Talboys liegt auf dem Grund des alten Brunnens in jenem Gebüsch am Ende der Lindenallee.“
    Robert schwieg, während seine Beine ihn nicht mehr tragen wollten. Er starrte die Mörderin an.
    „Ich wusste, dass er kommen würde, Mr Audley, und ich war entschlossen, ihn zu bestechen, ihn zu überreden oder mich ihm zu widersetzen. Ich wollte alles tun, um den Reichtum und die erlangte Stellung nicht wieder aufgeben zu müssen. Er erklärte, er würde mich zwingen, die Geschichte meiner Verworfenheit zu erzählen. Ich ­weigerte mich. Da packte er mich am Handgelenk.“
    Robert stand regungslos da und wartete wie betäubt.
    „In diesem Moment war ich wahnsinnig, nehme ich an. Er lehnte an der rostigen Spindel des Brunnens. Ich zog sie fort, schubste ihn und sah, wie er mit einem grässlichen Schrei im Schlund des Brunnens versank. Es war ganz ­einfach.“
    Robert Audley sagte nichts. Nach einigen Sekunden der Stille drehte er sich um und bestieg ohne ein weiteres Wort die Kutsche.
    „Nein! Sie können nicht gehen!“, schrie die Frau ihm nach. „Sie können mich nicht hierlassen! Ich will einen Prozess! Ich will Sir Michael sehen!“ Sie klammerte sich an die Tür der Kutsche, als diese bereits losfuhr. „Lassen Sie mich nicht hier! Töten Sie mich, aber lassen Sie mich nicht hier!“
    Noch lange glaubte Robert die schrillen Schreie der Frau zu hören, als er durch die Nacht

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