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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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Extrakt der Wacholderbeere enthalten und vom einfachen Volk so geschätzt werden, sondern Flaschen mit gutem Portwein und nussbraunem, feinem Sherry.
    Der Schlosser sprach gerade, als Robert Audley die Tür aufstieß. „Und damit“, sagte er, „ging sie davon, so vornehm, wie man sich’s nur vorstellen kann.“
    Durch das Auftauchen von Mr Audley wurde die gesamte Gesellschaft in höchste Verwirrung gestürzt, doch es fiel auf, dass der Schlosser weitaus verlegener war als die anderen in der Runde. Hastig stellte er sein Glas auf den Tisch, so dass er den Wein verschüttete. Nervös wischte er sich mit der Rückseite seiner schmutzigen Hand über den Mund.
    „Sie sind heute zu meinen Räumlichkeiten gekommen“, begann Robert.
    Der Mann fiel ihm sogleich ins Wort. „Ich hoffe, Sir, dass Sie so gütig sein werden, über meinen Irrtum ­hinwegzusehen“, stammelte er. „Es tut mir wirklich sehr leid, dass er passiert ist. Man hatte von den Räumen eines anderen Gentleman, Mr Aulwin vom Garden Court, nach mir geschickt, und dann ist mir der Name entfallen. Und weil ich früher die eine oder andere kleine Arbeit für Sie erledigt hab’, dachte ich, Sie müssten es sein, der heut’ nach mir verlangt hat. Aber sowie ich die Schlösser bei Ihnen gesehen hab’, hab’ ich mir gesagt, die Schlösser von dem Gentleman sind ganz in Ordnung.“
    „Aber Sie blieben eine halbe Stunde.“ Robert beobachtete den Mann scharf.
    „Ja, Sir, weil nämlich ein Schloss tatsächlich nicht in Ordnung war. Das Schloss in der Tür, die am nächsten bei der Treppe ist. Ich hab’ es rausgenommen, gereinigt und wieder eingebaut. Ich berechne Ihnen auch nichts für die Arbeit, und ich hoffe, dass Sie so gütig sein werden, über den Irrtum, der da passiert ist, hinwegzusehen ...“
    „Wie ich sehe, haben Sie eine vergnügte Gesellschaft zu Besuch. Ich wette, Sie haben heute ein gutes Geschäft gemacht – einen Glückstreffer erzielt – und sind gerade im Begriff, eine Runde auszugeben, wie man es in Ihren ­Kreisen nennt, nicht wahr?“
    Während er sprach, musterte Robert Audley das ­schmutzige Gesicht des Mannes, dessen Lider sich unter dem Blick des jungen Advokaten senkten. Stotternd brachte der Schlosser eine Art holpriger Rechtfertigung vor. Er war durcheinander und redete wirr. Behauptete, dass es für einen ehrbaren Handwerker in einem freien Land wohl keine Untat sei, in seinem eigenen ­Wohnzimmer ein wenig zu feiern.
    Robert unterbrach ihn mit einem gleichgültigen Kopf­nicken. „Ein gutes und ehrenwertes Geschäft zu feiern sollte jedem erlaubt sein“, stimmte er zu. „Entschuldigen Sie sich dafür nicht.“ Er hob seinen Hut und verließ die Werkstatt.
    Robert war klar, auf wessen Veranlassung hin der Mann gehandelt hatte, und er wünschte sich zum ersten Mal in seinem Leben, von Herzen fluchen zu können.

Buch zwei

1. Kapitel

    M r Audley erhob sich von seiner Dinnertafel und griff nach einer Kerze. Dann begab er sich in jene Kammer, in der sich seine eigenen Reisesäcke sowie die Kiste von George Talboys befanden. Er zog ein Schlüsselbund aus seiner Tasche und probierte einen Schlüssel nach dem anderen. Die abgewetzte alte Reisekiste hatte ein sehr einfaches Schloss, und so ließ sich beim fünften Versuch der Schlüssel auch tatsächlich ganz leicht ­drehen. Er klappte den Deckel der Kiste auf.
    Nach und nach räumte er den Inhalt aus der Reisekiste, nahm jeden Gegenstand einzeln heraus und betrachtete ihn schweigend, dann legte er ihn vorsichtig auf den Stuhl an seiner Seite. Er stieß auf alte Meerschaumpfeifen und angeschmutzte, zerdrückte Handschuhe, die einstmals makellos vom Handschuhmacher aus Paris geliefert ­worden waren. Er fand verblasste Theaterzettel sowie alte Parfümflakons, die nach Essenzen dufteten, die schon längst aus der Mode waren. Doch unter all diesen Gegenständen und Erinnerungsstücken hielt Robert Audley vergeblich Ausschau nach der einen Sache, die er eigentlich suchte: dem Päckchen Briefe, das der verschwundene Mann von seiner verstorbenen Frau erhalten hatte. Mehr als einmal hatte er gehört, wie George das Vorhandensein dieser Briefe erwähnte. Bei einer Gelegenheit hatte er sogar beobachtet, wie dieser die vergilbten Seiten ­ehrfurchtsvoll geordnet und in die Kiste gelegt hatte. Zwar fand Robert einige ordentlich zusammen­gebundene ­Bündel ­Korrespondenz, jedoch keine Briefe von Helen ­Talboys. Ob George diese Briefe selbst ­entfernt hatte oder ob sie von einer

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