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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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nicht täuschen lasse. Du hast versucht, mich zu ­erschrecken, und ich habe dich davon überzeugt, dass ich mich nicht erschrecken lasse. Du hast nicht an meine Großmut geglaubt, doch ich werde dir zeigen, dass ich großmütig sein kann.“
    Harcourt Talboys trug diese eindrucksvollen Formulie­rungen in wohleinstudierter Weise vor, die ­deutlich ­erkennen ließ, dass diese Rede bereits lange zuvor ­sorgfältig geprobt und durchdacht worden war.
    Robert Audley seufzte. „Der Himmel gebe, Sir, dass Sie die Gelegenheit haben mögen, diese Worte an Ihren Sohn zu richten“, antwortete er mit bedrückter Miene. „Doch ich fürchte, dass Sie ihn hier auf Erden niemals wieder­sehen werden. Ich habe Ihnen über dieses ... dieses traurige Thema sehr viel zu erzählen, Mr Talboys, aber ich würde es vorziehen, mit Ihnen allein zu sprechen.“ Robert blickte zu der jungen Dame am Fenster.
    „Meine Tochter kennt meine Ansichten über dieses Thema, Mr Audley“, entgegnete Harcourt Talboys. „Es besteht kein Grund, warum sie nicht alles hören sollte, was Sie zu sagen haben.“
    Robert nickte. Er begann, einige Papiere aus seiner Tasche zu ziehen, unter anderen auch jene Niederschrift, die er unmittelbar nach Georges Verschwinden verfasst hatte. „Ihr Sohn war mir ein sehr lieber Freund. Ich hatte ihn aus vielen Gründen gern, vor allem, weil er einsam in dieser Welt war, verstoßen von Ihnen, der eigentlich sein bester Freund hätte sein sollen, und beraubt um die ­einzige Frau, die er je geliebt hat.“
    „Die Tochter eines betrunkenen Habenichts“, warf Mr Talboys wegwerfend ein.
    „Wäre er in seinem Bett an gebrochenem Herzen ­gestorben, wie ich es manchmal befürchtete“, fuhr Robert fort, „dann hätte ich aufrichtig um ihn getrauert. Dieser Schmerz wäre jedoch gering gewesen im Vergleich zu dem, was ich jetzt empfinde, da ich glaube, dass mein armer Freund ermordet wurde.“
    „Mr Audley, Sie sind verrückt!“, rief Harcourt Talboys und beugte sich bedrohlich über den Tisch. „Sie treiben ein grausames Spiel. Ich protestiere dagegen. Das ist eine ­Verschwörung, und ich ... ich widerrufe meine Bereitschaft, jener Person, die einst mein Sohn war, zu ­vergeben.“ Bei diesen letzten Worten ließ er sich zurücksinken.
    Der Schock war heftig gewesen, doch seine Wirkung hatte nur einen kurzen Moment gewährt. Nun war er ­wieder ganz er selbst.
    „Es liegt mir fern, Sie unnötig zu beunruhigen, Sir“, ­antwortete Robert. „Der Himmel gebe, dass Sie recht haben mögen und ich im Unrecht bin. Ich komme zu Ihnen, um Ihren Rat zu erbitten. Ich werde Ihnen nun die Umstände schildern, die meinen Argwohn geweckt haben. Wenn Sie mir danach entgegenhalten, dass dieser Argwohn lächerlich und unbegründet ist, dann bin ich bereit, mich Ihrem besseren Urteilsvermögen zu beugen. Ich werde meine Suche nach dem entscheidenden Beweis, der noch fehlt, aufgeben. Wenn Sie jedoch meinen, dass ich weitersuchen soll, dann werde ich es tun.“
    Nichts konnte Mr Harcourt Talboys’ Eitelkeit mehr schmeicheln als dieser Appell. Daher erklärte sich der Mann bereit, sich alles anzuhören und Robert einen Rat in dieser Angelegenheit zu geben. Wobei er den Wert seines Rates mit einer affektierten Bescheidenheit abtat, die so durchschaubar war wie seine Eitelkeit selbst.
    Robert Audley begann seinen ausführlichen Bericht über alle Begebenheiten, die George seit seiner Ankunft in London bis zu der Stunde seines Verschwindens widerfahren waren. Außerdem beschrieb er alle Vorkommnisse, die sich seither zugetragen hatten und die mit diesem ­sonderbaren Vorfall in Verbindung zu stehen schienen. Mit demonstrativer Aufmerksamkeit lauschte Harcourt Talboys und unterbrach den Sprecher nur hin und ­wieder, um eine Frage zu stellen. Clara Talboys hob nicht ein ­einziges Mal ihr Gesicht.
    Die Zeiger der Uhr zeigten auf zwölf, als Robert seinen Bericht beendet hatte, wobei er den Namen seines Onkels sowie dessen Frau verschwieg. „Nun, Sir“, sagte er. „Ich erwarte Ihre Entscheidung.“
    „Sie bringen mich von meiner zuvor geäußerten ­Meinung nicht ab, junger Mann“, antwortete Mr Harcourt Talboys mit dem blinden Hochmut eines starrsinnigen Menschen. „Ich glaube noch immer, dass mein Sohn lebt und sein Verschwinden eine Verschwörung gegen mich ist. Ich lehne es ab, Opfer dieser Verschwörung zu sein.“
    „Sie erklären mir damit also, dass ich meine Suche ­einstellen soll?“, fragte Robert eindringlich.
    „Ich

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